International
ISAF-Kommandant sieht "deutliche Bedrohung"
Brigadegeneral von Butler: Truppe in Afghanistan sieht sich mit "völlig neuen Entwicklungen" konfrontiert
Kabul - Eine "deutliche Bedrohung" für die internationale
ISAF-Truppe in der afghanischen Hauptstadt Kabul sieht der deutsche
Brigadegeneral Carl-Hubertus von Butler. Nun müsse aber einmal die
weitere Entwicklung abgewartet werden, so der Kommandant der
multinationalen Brigade der ISAF im Gespräch mit österreichischen
Journalisten in Kabul. Mit der anstehenden Rückkehr von König Zahir,
dem Loya Jirga-Prozess mit der großen Ratsversammlung im Juni und der
Rückkehr von Flüchtlingen stünden "völlig neue Entwicklungen" an. Von Butler sieht vier Dimensionen der "deutlichen Bedrohung" für
die ISAF-Truppe. Erstens seien direkte Angriffe von übrig gebliebenen
oder neu formierten El Kaida- und Taliban-Gruppierungen zu
befürchten. Zweitens sei man in Kabul nach wie vor mit einer hohen
Kriminalitätsrate konfrontiert. Drittens liegen überall Minen,
Blindgänger und Munitionsteile. Und viertens seien die chaotischen
Verhältnisse im Straßenverkehr für Europäer mehr als ungewohnt.
Insgesamt entwickle sich die Sicherheitslage in Wellen, wobei in
den vergangenen Tagen eine Verschärfung zu beobachten gewesen sei.
Als Beispiele nannte der Brigadegeneral das Attentat auf den
afghanischen Verteidigungsminister Fahim Khan sowie die Rakete, die
über das "Camp Warehouse", in dem auch das österreichische Kontingent
untergebracht ist, hinweg geflogen ist.
Für ISAF müsse es in dieser Situation darum gehen, alles zum
Schutz der eigenen Leute getan zu haben. Dies bedeute den Einsatz
gepanzerter Fahrzeuge genauso wie Vorkehrungen im Lager: Ein Graben
rund um das Camp solle verhindern, dass man von außen bis zur Mauer
vordringen kann, Bunkersysteme würden installiert. Dazu kämen
regelmäßige Kontrollgänge. Freilich: "Eine hundertprozentige
Sicherheit gibt es nicht. Sonst wären wir nicht hier."
Attacken gegen die ISAF können nach Ansicht von Butlers mehrere
Hintergründe haben. Zum einen könnten einzelne Personen oder Gruppen
Interesse an einer Verzögerung des Friedensprozesses haben, weil sie
noch Einfluss zu gewinnen hoffen. Es könne aber auch Fraktionen
geben, die einen Friedensprozess grundsätzlich ablehnen. Ein
mögliches Motiv sei aber auch Rache von Taliban- und El
Kaida-Kämpfern. Beim Attentat auf den Verteidigungsminister dürfe
aber auch nicht vergessen werden, dass sich Khan als Tadschike in
eine Paschtunen-Hochburg begeben habe. Eine Rolle spielen könnten
auch das geplante Engagement gegen den Drogenanbau sowie schlicht
"alte Rechnungen, die sich in 20 Jahren gebildet haben".
Ein weiteres Sicherheitsproblem für Afghanistan und damit für die
ISAF liegt im Einfluss der Nachbarstaaten und deren möglicherweise
mangelndem Interesse an einer Stabilisierung in dem Land am
Hindukusch. In diesem Fall sollte seitens der ISAF-Teilnehmerstaaten
Druck auf die betroffenen Länder ausgeübt werden, um klar zu machen,
dass ein Wiedererstarken fundamentalistischer Strömungen und eine
damit verbundene Gefährdung nicht im Interesse der internationalen
Staatengemeisnchaft liege.
Die Bedeutung der eigentlich nur auf die Hauptstadt Kabul
konzentrierten ISAF für den Friedensprozess insgesamt steht für den
General jedenfalls fest: "Wenn die ISAF hier rausgeht, sehe ich große
Gefahr für die Stabilität des Landes. Dann würde Afghanistan wohl
sehr rasch wieder in den Zustand kämpferischer Auseinandersetzungen
zurück fallen."(APA)