Inland
Wieder hartes Urteil nach §209
Senatsvorsitzender: "Die Mehrheit der Österreicher will das so, finden Sie sich damit ab"
Wien - Das Oberlandesgericht Wien (OLG) hat neuerlich ein
hartes Urteil gegen einen Homosexuellen gefällt. Es erhöhte die vom
Erstrichter gegen einen bisher unbescholtenen 40-Jährigen verhängte
Freiheitsstrafe nach Par. 209 Strafgesetzbuch von sechs auf neun
Monate Freiheitsstrafe und ordnete an, dass er ein Drittel ohne
Bewährung verbüßen muss. Zur Begründung habe der Senatsvorsitzende
gemeint: "Die Mehrheit der Österreicher will das so", berichtete die
Plattform gegen Par. 209 am Freitag. Im Jahr 1998 erregte der Fall des damals 36-jährigen Mannes
Aufsehen, als er bei einer Grenzkontrolle aus dem Auto geholt und
festgenommen wurde, weil sich in seinem Wagen auch ein 17-jähriger
junger Mann befand. In intensiven Verhören gab der junge Mann
sexuelle Kontakte mit dem Angeklagten zu, woraufhin dieser vier
Monate in Untersuchungshaft genommen wurde. Diese seinerzeitige
Festnahme erklärte der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) vor Kurzem für
rechtswidrig.
Im Landesgericht Wien wurde der Mann vergangenen Herbst wegen
Kontakten mit drei 16- und 17-jährigen Männern zu einer
Freiheitsstrafe von sechs Monaten bedingt verurteilt. Dem
Staatsanwalt war dies zu wenig, er legte Berufung ein. Das OLG folgte
ihm, der Vorsitzende meinte, die "Milde" der ersten Instanz sei
angesichts der "schweren Schuld" des Angeklagten "völlig
unverständlich". Zu den menschenrechtlichen Bedenken gegen den
Paragrafen, der für männliche Homosexuelle ein um vier Jahre höheres
Mindestalter für Sexualkontakte normiert als für Frauen und
Heterosexuelle, meinte der Vorsitzende nur: "Die Mehrheit der
Österreich will das so, damit müssen Sie sich abfinden", berichtet
die Plattform.
Lunacek kritisiert Schüssels restriktive Haltung
Scharfe Kritik übte die Grüne Abg. Ulrike Lunacek am
Freitag an der restriktiven Haltung von Bundeskanzler Wolfgang
Schüssel (V) zum Homosexuellen-Paragrafen 209 Strafgesetzbuch. "Wie
viele Männer müssen noch hinter Gitter, bevor ÖVP-Chef Schüssel
endlich zur ersatzlosen Streichung des menschrechtswidrigen Par. 209
bereit ist?", fragte Lunacek in einer Aussendung angesichts einer
neuerlichen Verurteilung auf unbedingte Freiheitsstrafe durch das
Oberlandesgericht Wien.
"Es ist unerträglich und eine Schande, dass Männer immer noch für
ihre Liebesbeziehung eingesperrt werden können." Schüssel müsse sich
den Vorwurf gefallen lassen, "dass Menschen unter Heranziehung
haarsträubender Begründungen für ihre Liebesbeziehung ins Gefängnis
gesteckt werden", meinte sie angesichts der Aussage des
OLG-Senatsvorsitzenden "Die Mehrheit der Österreicher will das so,
finden Sie sich damit ab". Diese Aussage entbehre jeglicher
Grundlage, sei durch nichts zu beweisen und überdies eines
Richterspruches unwürdig und skandalös. (APA)