"Die Palästinenser sollen die Selbstmordattentate einstellen und mit Israel verhandeln, wenn sie wirklich Frieden wollen", schrieb die liberale, erst seit zwei Monaten in Teheran erscheinende Zeitung Bonyan Anfang der Woche in einem Gastkommentar und löste damit in Iran eine Flut von Diskussionen aus.

Es ist das erste Mal seit 20 Jahren, dass ein iranischer Kommentator in Missachtung der von der höchsten Geistlichkeit vorgegebenen Linie den Mut besitzt, solch eine Meinung zu äußern. Die Reaktion der Konservativen ließ nicht lange auf sich warten, es blieb aber bei verbalen Attacken, das heißt, Bonyan und der Autor wurden nicht wie sonst üblich mit Verfahren bedroht.

Auch im iranischen Parlament gibt es Meinungsunterschiede darüber, wie man sich Palästinenserchef Yassir Arafat und der Hisbollah im Libanon gegenüber verhalten solle. Diese Woche gab es eine Kundgebung vor der palästinensischen Vertretung in Teheran, bei der liberale Abgeordnete ihre Sympathien für Arafat bekundeten - sehr zum Missvergnügen der Konservativen im Parlament, die ihn seit dem Oslo-Friedensprozess als Verräter sehen.

Nur halbherzig diskutiert

Die Möglichkeit eines von Revolutionsführer Ayatollah Khamenei beim letzten Freitagsgebet vorgeschlagenen Ölboykotts wird in Iran nur halbherzig diskutiert. Ölminister Bijan Zanganeh meinte vor der Presse, die gegenwärtigen Umstände wären für so einen Schritt ungeeignet. Bei einer Arbeitslosenrate um die 20 Prozent und einer Inflation von offiziell 13 Prozent kann ein Ölboykott die Anstrengungen der Regierung der letzten zwei Jahre, die Wirtschaft in Schwung zu bringen, torpedieren. Außerdem hat Iran in letzter Zeit mehrere geplante große nationale Projekte in Zusammenarbeit mit europäischen Partnern zum Teil durch garantierte Ölexporte besichert.(Der STANDARD, Print-Ausgabe 13./14.4.2002)