Der Mann fackelte nicht lange. Nach der öffentlichen Ankündigung seines Selbstmordes nahm Exinnenminister Vlajko Stojiljkovic, wegen seiner Eloquenz "Der Bauer" genannt, seine Beretta und schoß sich in den Kopf. Seine Partei hatte ihm aus "patriotischen Gründen" nicht von der Tat abgeraten, der Milosevic-Vertraute solle "ein Zeichen" setzen, die - nun legalen - Auslieferungen an das Kriegsverbrechertribunal seien ein Schlag ins Gesicht aller aufrechten Serben. Kurz darauf brachte sich ein weiterer serbischer Exminister um.

So traurig, so verzweifelt diese Taten sind, so scharf muss man sie verurteilen. Denn diese Selbstmorde sind kein Eingeständnis, dass im Namen des serbischen Volkes Verbrechen begangen wurden, die heute sogar den Drahtziehern unerträglich erscheinen. Diese Selbstmorde wurden begangen, um wieder einmal die Emotionen des "einfachen" Volkes anzuheizen und ungerechtfertigtes Mitleid sowie eine Art serbischen Schulterschluss gegen den Westen, gegen eine Demokratisierung zu initiieren. Und wie so oft - wenn es um nationalen Schulterschluss gegen "das Ausland" geht - werden diese Selbstmorde die erwünschten Reaktionen an der Heimatfront hervorrufen.

Denn die Mehrheit der Serben hält sich selbst für unfähig, Verbrechen zu begehen, wie sie Slobodan Milosevic und seiner Gang vorgeworfen werden, und glaubt deshalb, das müsse für alle Serben gelten. Diese Haltung ist zwar ebenso verständlich wie beispielsweise die Weigerung von Wehrmachtsangehörigen, die Verbrechen der deutschen Armee im Zweiten Weltkrieg zur Kenntnis zu nehmen, dennoch ist sie eben falsch. Ein demokratischer Neuanfang in Serbien ist nur dann möglich, wenn alle Verbrechen der Milosevic-Ära aufgeklärt werden, egal ob ein Exmächtiger kurzen Prozess mit sich macht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 13./14.04.2002)