Im Zimmer 833 des Hamburger Landgerichts ging es am Freitag um eine Frage, die ganz Deutschland bewegt: Sind die Haare getönt, gefärbt oder naturfarben? Da es sich um den Schopf von Bundeskanzler Gerhard Schröder handelt, herrschte dichtes Gedränge von Kamerateams, auch ausländische Journalisten wollten sich den Streit um des Kanzlers Haar nicht entgehen lassen. Der Regierungschef will der Nachrichtenagentur ddp verbieten lassen, die Einschätzung einer Imageberaterin wiederzugeben, Schröders Haare seien getönt. Eine Richtigstellung hat Schröder nicht gereicht.Zwei Friseure bot der Kanzler, der selbst nicht als Zeuge auftrat und etwa eine Haarprobe ablieferte, auf: Starfigaro Udo Walz und seinen Hannoveraner Friseur, Stefan Krause. Beide versicherten, Schröders kastanienbraunes Haar sei von Natur aus so. Nicht in den Zeugenstand gerufen wurde Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf, die wiederholt öffentlich Zweifel zu zerstreuen versucht hat mit der Versicherung: "An meinem Mann ist alles echt!" Der Anwalt der Nachrichtenagentur, Klaus Sedelmeier, kündigte während der Verhandlung an, den Rechtsstreit notfalls bis zum Höchstgericht durchzufechten. Er argumentierte, hier handle es sich um einen Eingriff in die Pressefreiheit, da dies einem Berichterstattungsverbot über des Kanzlers Haare gleichkäme. Das Gericht nahm die Frage so ernst, dass es verkündete, erst nach eingehender Prüfung das Urteil am 17. Mai zu verkünden. Dass es sich keineswegs um Haarspaltereien, Eitelkeit oder Rechthaberei, sondern um ein politisch relevantes Thema handle, versicherte Schröder-Anwalt Michael Nesselhauf. Die Haarfarbe sei "von Gewicht im Wahlkampf", es ge- he um die Glaubwürdigkeit. Haargenau weiß der britische Guardian, der sich ebenso wie andere britische Blätter tagelang mit dem Schopf des deutschen Kanzlers befasst hat, warum die Haarfrage so bedeutend ist. Weil "Gerhards tiefschwarzes Haar einen gewissen Reiz auf weibliche Wähler ausübt", erläuterte die Zeitung. Anhänger der Jungen Union nutzten denn auch die Gunst der Stunde und verteilten zum Prozessauftakt Probe- päckchen eines Haarfärbemittels mit dem Ton "Schwarze Kirsche" und dem Slogan "Schwarz, natürlich, unverfälscht". (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13./14. April 2002)