Wien - Einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag zur Erforschung des erblichen Brustkrebs hat das Forschungsteam des Genetikers Markus Hengstschläger von der Pränataldiagnostik der Wiener Uniklinik geleistet. Die Wissenschafter konnten klären, warum eines der bekannten Brustkrebsgene nur diese bestimmte Krebsform verursacht und keine anderen. Ihre Arbeit wurde vom renommierten Genetikjournal Oncogene angenommen und wird in einer der nächsten Ausgaben veröffentlicht.Beim familiären Brustkrebs erbt eine Frau von einem Elternteil eine Mutation im BRCA1-Gen. Sie trägt damit ein 80-prozentiges Risiko, im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs zu erkranken. Mit der möglichen Ausnahme des Ovarkarzinoms kennt man aber keinerlei Häufungen für andere Tumoren bei den betroffenen Frauen, obwohl das BRCA1-Gen in allen Zellen des Körpers vorhanden ist. Warum das so ist, versuchen Brustkrebsforscher seit vielen Jahren herauszufinden. Verschiedenste Theorien wur- den bisher in Betracht gezogen, aber keine konnte wissenschaftlich bewiesen werden. Dies ist nun den Forschern am AKH gelungen: Marion Kubista, eine Doktorandin aus Hengstschlägers Labor, verwendete bestimmte Zellkultursysteme, bei denen aus so genannten Progenitorzellen - einer bestimmten Art von Stammzellen - durch Behandlung mit Wachstumsfaktoren Nerven-, Muskel- oder Brustepithelzellen differenziert werden können. Durch gentechnologisches "Herausnehmen" oder "Einschalten" des BRCA1-Gens in diesen Zellen konnten die Wissenschafter zeigen, dass die Entstehung von Muskeln oder Nerven nicht ausschließlich vom BRCA1-Gen abhängt, jene von Brustepithelzellen jedoch eindeutig unter der Kontrolle dieses Gens steht. Die Forscher liefern damit erstmals eine Erklärung dafür, warum eine Mutation in diesem Gen nur für die Entstehung von Brustzelltumoren von Bedeutung ist. In anderen Zellen hat die Veränderung keine Auswirkung, weil diese bestimmte Funktionen des BRCA1-Gens nicht benötigen. Ein besonderes Gen Diese ganz spezifische "Verantwortung" eines Gens für einen bestimmten Tumor ist ungewöhnlich. Andere bekannte Krebsgene wie P53 oder TSC1 und TSC2 können ganz unterschiedliche Tumor- arten auslösen. "Wir wollen diese Erkenntnisse nun einsetzen, um weiter in die Richtung neuer Therapien zu forschen", sagt Hengstschläger. Unter Verwendung der neuen Chiptechnologien wollen die Wissenschafter herausfinden, welche anderen Genaktivitäten von BRCA1 in Brustzellen reguliert werden. Sie wollen die genetischen Mechanismen entlarven, die Nerven- oder Muskelzellen inert gegen ein mutiertes BRCA1 Gen machen, um diese Mechanismen auch in Brustzellen zu aktivieren. Hengstschlägers Zukunftsvision: "Vielleicht kann man eines Tages Brustzellen quasi beibringen, eine Genveränderung in BRCA1 genauso zu ignorieren, wie Muskelzellen das tun." (Sonja Bettel, Der Standard, Printausgabe, 13.04.02)