Irgendwann im vergangenen Jahr, während einer Politikerdebatte zur Osterweiterung, ist Burgenlands EU-Abgeordnete Christa Prets auf einmal zornig geworden. Man solle doch, wies sie VP-Chef Franz Steindl zurecht, endlich mit dem Gerede über die Geschichte aufhören. Sie selbst, die in der damaligen BRD aufgewachsen war, sei ständig mit diesen historischen Geschichten bezüglich der DDR gequält worden. Geschichten, die, genauso wie jetzt das Gerede übers gemeinsame Pannonien, "niemand von den Jungen interessiert haben".

Christa Prets hat damit sowohl Recht als auch Unrecht, was zwar abstrus klingt, aberganz gut das Burgenländische am Burgenland beschreibt. Ein kurzer Blick auf ihre eigene Partei, die SPÖ, hätte genügt, die bemerkenswerte Trägheit der burgenländischen Geschichte zu illustrieren. Bis vor wenigen Jahren war die Haltung der SPÖ zur Volksgruppenpolitik eine klare Assimilationsstrategie. Und argumentiert wurde sie stets mit dem Hinweis auf die transleithanische Besonderheit, die vom Anschlussjahr 1921 herrührt, als das konfessionelle Schulsystem der Ungarn mit übernommen worden ist. Die Sozialdemokraten waren strikt gegen dieses System, die staatliche Alternative war deutschsprachig, und die kroatischen SP-Funktionäre hielten bis weit in die Neunzigerjahre am Assimilierungskurs fest, bis hin zu der nun in Kärnten ventilierten Idee, gemeindeweise über die Verfassung abstimmen zu lassen.

Die Volksgruppenfrage ist freilich nur ein Beispiel. Historisch trennender als die verschiedenen Sprachen war im Burgenland stets die Religion. Als 1921 die im diesbezüglich liberalen Ungarn beheimateten Evangelischen beider Bekenntnisse eine politische Heimat in Österreich suchten, fanden sie die antiklerikalen Sozialdemokraten und die erzkatholischen Christsozialen. Also orientierten sie sich deutschnational. Eine Tradition, die bis heute dafür sorgt, dass die FPÖ in den evangelischen Gemeinden überproportional vertreten ist.

Das Historische reicht bis in die Alltagssprache: Hotter nennen die Burgenländer die Grenze, határ die Ungarn. Und bis vor kurzem noch war es der Brauch, die Anrede Herr und Frau hinter den Namen zu stellen, so wie die Ungarn das tun. Das ging so weit - so wird es bis heute in verschiedensten Variationen erzählt - dass ein burgenländischer Lieferant seine niederösterreichische Kundin - die Witwe eines gewissen Grabherr - bis zu deren endgültiger Verärgerung hartnäckig als "Grab Frau" ansprach. (wei, DER STANDARD,Print vom 15.4.2002)