Viel "eisliche rache" so mancher Deutschlehrerin wäre einem erspart geblieben, hätte man den bekanntlich unbekannten Dichter des Nibelungenliedes schon früher in Marc Pommerening entdeckt. Der 32-jährige Absolvent der Ernst-Busch-Schule legte mit der Neudichtung des germanischen Sagenstoffes als "die nibelungen. melodram" für das Theater der Jugend die Latte für jeden Dichterpotentaten hoch. Moritz Rinkes Version wird im Sommer unter Dieter Wedels Regie in Worms zu sehen sein. Christian von Treskow darf sich der von Pommerening erfrischten Sprache bedienen, die zugleich streng gearbeitet ist, auf metrische Grundmuster und Reimformen nicht verzichtet: "Nicht, dass ich etwas gegen Fremde hab/ Doch dass ein hergeflattertes Insekt/ Der schönsten Blüte eines deutschen Stammes/ Die Stempel stäubt, bedarf noch der Gewöhnung" - gibt Hagen zu bedenken, da auf der Königsburg zu Worms die Burgunder (Gunther mit Brunhilde, Kriemhild mit Siegfried) ihre Ehen planen. Die Arbeit von Treskows überprüft (ironisiert) sich immer wieder selbst, ist überlegt. Begriffe wie Ehre und Treue tauchen ganz unkompliziert auf, nicht plump bildungsauftragsgemäß eingemogelt, und deshalb auch schon gar nicht politisch korrekt. Das Spiel klappt, inklusive der eigens von Klaus Erharter komponierten Musik und auch dank eines prächtigen Ensembles: allen voran Michaela Kaspar als Rapunzel-zöpfige Kriemhild, Andreas Erstling als Stubenhocker-König Gunther und majestätisch: Hagen von Tronje in der Gestalt Bernhard Majcens. Alle Achtung! (afze/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.04. 2002)