Oviedo/Brüssel - Nur Österreich und Luxemburg haben noch keinen Kodex für die Corporate Governance, die gute Unternehmensführung. Dieses Defizit wurde beim Ecofin-Ratstreffen der EU-Finanzminister am Wochenende im spanischen Oviedo wieder besonders deutlich. Der österreichische Ressortchef Karl-Heinz Grasser versprach allerdings auf Nachfrage des STANDARD, dass sich dies im Oktober ändern werde.Verquickung von Aufsichtsrat und Vorstand, undurchsichtige Bezahlung der Manager, Firmenpensionsfonds, die in die Aktien des eigenen Unternehmens investieren: Dass Regelungen für eine saubere und verlässliche Unternehmensführung gerade bei Aktiengesellschaften nötig sind, ist zuletzt durch die Enron-Pleite klar geworden. Der Finanzskandal um den US-Energiehändler hat nun auch auf EU-Ebene den Anstoß für Überlegungen gegeben. Die Finanzminister erweiterten daher am Wochenende das Mandat der EU-Expertengruppe für Unternehmensrecht entsprechend. Eine Garantie für gute Corporate Governance dürfte in Zukunft vor allem für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzmärkte entscheidend sein. Denn die Anleger müssen den Aktiengesellschaften vertrauen, in die sie ihr Geld investieren. "Nötige Unabhängigkeit fehlt" Österreichische Wirtschaftsjuristen kritisieren mit Blick auf ihr eigenes Land unter anderem, dass es gerade bei den Aufsichtsratsmitgliedern oft an der nötigen Unabhängigkeit fehlt. So verträten viele mehr die Partikularinteressen der großen Anteilseigner als das Gesamtwohl des beaufsichtigten Unternehmens. Dass die Aufsichtsräte - wie zuletzt bei Libro - trotz gesetzlicher Vorschriften beim internen Controlling versagen, liegt nach Expertenmeinung unter anderem an deren mangelnder Eignung. Selbst wer im Vorstand ein guter Manager war, ist später nicht automatisch ein guter Aufpasser im Aufsichtsrat. Vor allem, wenn er mehr als ein Dutzend solcher Posten innehat. (Jörg Wojahn, DER STANDARD, Printausgabe 16.4.2002)