Rom - Führende Mafiabosse in Sizilien haben offenbar
Geheimverhandlungen mit der Justiz über eine mögliche "Kapitulation"
aufgenommen. Italienischen Presseberichten zufolge hat der
inhaftierte Mafia-Boss Pietro Aglieri dem Anti-Mafia-Oberstaatsanwalt
Pierluigi Vigna in einem Brief einen Waffenstillstand als
Gegenleistung für kürzere Haftstrafen und bessere Bedingungen in den
Gefängnissen vorgeschlagen.
Nach zahlreichen Festnahmen sei die Mafia in eine tiefe
Krisephase gestürzt. Die prominentesten "Paten" seien hinter Gittern,
die neue Generation seien nicht mehr in der Lage, ihren Kampf gegen
den Staat mit Erfolg weiterzuführen. "Der Staat und die Mafia sind zu
'Verhandlungen' zurückgekehrt", berichtete die römische Zeitung "La
Repubblica" am Mittwoch. Zum "Pakt" mit dem Staat sei auch die seit
40 Jahren gesuchte "Nummer eins" der Cosa Nostra, Bernardo Provenzano
bereit.
Den Angaben zufolge bat Aglieri die Justizbehörden um die
Erlaubnis, im Gefängnis andere führende Mafia-Bosse zu treffen, um
die "Kapitulation" zu diskutieren. "Die Mafia-Paten haben ihre
Einheit zurückgefunden. Sie sind entschlossen, mit dem Staat zu
verhandeln", berichtete "La Repubblica".
Erst am Dienstag war den Fahndern in Sizilien ein entscheidender
Schlag gegen das organisierte Verbrechen gelungen. Sondereinheiten
der Polizei fassten den seit neun Jahren gesuchten Antonino Giuffre
(57). Er gilt als rechte Hand des meistgesuchten Cosa-Nostra-Bosses
Bernardo Provenzano. Provenzano selbst ist ein "Phantom der Mafia":
Er ist seit fast vier Jahrzehnten untergetaucht. Fahnder schließen
nicht aus, dass er mit einer "neuen Identität" mitten in Palermo
lebt. (APA)