Wien - Der Plan von Justizminister Dieter Böhmdorfer (F), den Jugendgerichtshof Wien aufzulösen, stieß am Mittwoch weiter auf eine breite Ablehnungsfront: Verschiedene Jugend-Einrichtungen - wie die Jugendpsychiater oder die Wiener Jugendanwälte - protestierten ebenso gegen diese mit dem gestrigen Ministerratsbeschluss bekannt gewordene Absicht wie die Stadt Wien und das "Volksbegehren Sozialstaat Österreich". Die "massive Ablehnung der Stadt Wien" deponierte Vizebürgermeister Sepp Rieder (S). Die Auflösung des JGH sei "ein Angriff auf die Sicherheit in Wien". "Aber anscheinend ist es der Stil des Justizministers im Umgang mit den Bundesländern, sich um deren Interessen und Bedürfnisse praktisch nicht zu kümmern". Auch mit der Stadt Wien habe Böhmdorfer - so wie mit den betroffenen Richtern - keinen Versuch unternommen, das Einvernehmen zu suchen, kritisierte Rieder. Die Auflösung des Jugendgerichtshofes (JGH) Wien würde "einen Rückschritt an den Anfang des vergangenen Jahrhunderts bedeuten", meinte die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychologie in einer Aussendung. Scharf wurde auch kritisiert, dass über die geplanten Änderungen vor dem Ministerratsbeschluss keinerlei Gespräche mit Fachleuten geführt wurden. "Dies entspricht der in letzter Zeit häufig beobachteten Strategie, politische Entscheidungen fernab jeder sachlichen Grundlage zu treffen", stellten die Jugendpsychiater fest. Die Wiener Jugendanwälte Anton Schmid und Monika Pinterits sehen in dem Ministerratsbeschluss einen "schweren Schlag gegen die Gewaltprävention" und einen "schwerwiegender Fehler". Sie sind überzeugt, dass die bereits vorgenommene Auflösung der Jugendpolizei und die des JGH zu einer Steigerung von Gewalt und Kriminalität beitragen: "Wenn Böhmdorfer und Strasser auch in Wien Jugendunruhen wie in Paris, London und anderen Großstädten Europas möchten, sollten sie mit ihrer Politik des Zusperrens von Jugendinstitutionen nur weitermachen." Offenbar gehe es darum, "die Arbeit von unbequemen Denkern, die im Sinne der Jugendlichen sinnvolle liberale Ansichten vertreten", wie JGH-Präsident Udo Jesionek "zunichte zu machen". Die Initiatoren des Sozialstaats-Volksbegehrens fürchten, dass die Zusammenlegung der Jugendgerichtsbarkeit und des Jugendstrafvollzuges mit dem Straflandesgericht "Jugendbanden unter tatkräftiger Mitwirkung und Führung krimineller Erwachsener" zur Folge haben werden. Der Justizminister gefährde damit nicht nur die Entwicklungschancen sozial schwacher Jugendlicher, sondern auch die Sicherheit der gesamten Bevölkerung. (APA)