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"Viele Menschen glauben eher Greenpeace als staatlichen Regulationsbehörden"
Österreichischer Politikwissenschafter sieht eigene Art von "Etho-Politik" - Merkmale: Zögern und Verantwortung abschieben
Wien - Die moderne Biomedizin beschert nicht nur den
Naturwissenschaftern in ihren Labors jede Menge Versuche, auch auf
politischer Ebene ist die Sache ein großes Experiment - mit offenem
Ausgang. Nach Ansicht von Herbert Gottweis vom Institut für
Politikwissenschaft der Universität Wien hat sich mittlerweile sogar
eine eigene Art von "Etho-Politik" etabliert. Die Politiker würden
dabei besonders zögerlich agieren und versuchten, Entscheidungen an
verschiedene Gremien abzudrängen, so Gottweis bei einem Vortrag für
den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) in Wien. Die Einsetzung von Bioethik- oder Enquetekommissionen bis hin zu
Bürgerforen ist für Gottweis Ausdruck dieser neuen Etho-Politik. In
bestimmten Fällen könne und wolle die Politik auch gar keine
endgültige Antwort geben. Es werden nur die Rahmenbedingungen
geschaffen, die letzte Entscheidung wird dem Menschen überlassen, als
Beispiel nannte der Experte etwa Fruchtwasseruntersuchungen bei
Risikoschwangerschaften.
"Viele Menschen glauben eher Greenpeace als
staatlichen Regulationsbehörden"
Das Zögern der Politiker geht dabei Hand in Hand mit einer
Vertrauenskrise in der Bevölkerung gegenüber verschiedenen
Institutionen. "Viele Menschen glauben eher Greenpeace als
staatlichen Regulationsbehörden", so der Politikwissenschafter.
Gottweis widersprach der vielgeäußerten Ansicht, dass Wissen und
Information tendenziell die Zustimmung in der Bevölkerung zu Themen
wie Gentechnik steigere. Umfragen würden zeigen, dass eher das
Gegenteil der Fall ist, wer viel weiß, neigt auch zur kritischen
Haltung.
Nicht zuletzt bedeute die moderne Biologie auch in der Medizin ein
Umdenken. So sei es jahrhundertelang das ausschließlich Anliegen der
Ärzte gewesen, zu Heilen, Krankheiten zu beseitigen. Nun komme der
Aspekt des "Verbesserns" dazu, so wie die Leistung von Sportlern
gesteigert wird.
Wann ist ein Mensch ein Mensch?
Nach Kurt Zatloukal vom Institut für Pathologie der Universität
Graz - er ist auch Mitglied der Bioethik-Kommission der
Bundesregierung - ist es nicht möglich, bestimmte aktuelle Probleme
eindeutig zu klären. Alleine die Beantwortung der Frage, ab wann ein
Mensch ein Mensch, also ein Individuum ist, stößt auf vielschichtige
Probleme. Selbst wenn man - wie etwa die katholische Kirche - "die
Befruchtung" mit der Menschwerdung verknüpft, so muss einem doch klar
sein, dass die Befruchtung ein Prozess und kein Zeitpunkt ist.
Auch das Kontinuitätsprinzip für den Schutz des Menschen und
seiner Würde von der Befruchtung bis zum Tod wird durch neue
Möglichkeiten - etwa Klonversuche - erschüttert. So könne etwa das
Erbgut einer Zelle eines Verstorbenen in eine Eizelle eingepflanzt
und daraus ein neuer Mensch erzeugt werden. "Das Kontinuitätsprinzip
wird dann gleichsam durch den Tod unterbrochen", so Zatloukal.
Allerdings ist der Mediziner trotz Meldungen über
Klon-Schwangerschaften überzeugt, dass wir in absehbarer Zeit mit
keiner Klon-Invasion zu rechnen haben. Noch seien zu viele technische
Probleme zu überwinden. Nach wie vor müssten für eine Lebendgeburt
250 bis 300 Befruchtungen durchgeführt werden.
(APA)