Etat
Jospin: Canal Plus muss unter französischem Einfluss bleiben
Europas größter Pay-TV-Anbieter unter Druck
Im Machtkampf um das französische
Digital-Fernsehen Canal Plus hat eine Protestwelle aus Politik, Film
und Fernsehen die Position von Jean-Marie Messier, Vorstandschef des
weltweit zweitgrößten Medienkonzerns Vivendi Universal, weiter
erschüttert. Durch die überraschende Entlassung des einflussreichen
Chefs der defizitären Canal Plus-Gruppe, Pierre Lescure, hatte
Messier am Dienstag einen Aufstand der TV-Belegschaft ausgelöst, die
das Programm für Protestkundgebungen unterbrachen (siehe dazu: Vivendi tauscht komplette Führung von Canal Plus aus
und
Canal-Plus-Belegschaft protestiert live
). Für diesen Mittwoch kündigten die Mitarbeiter Demonstrationen vor dem Firmensitz an.
Jospin: "Canal Plus muss unter französischem Einfluss bleiben"
Unterdessen schaltete sich der französische Premierminister Lionel
Jospin in die Auseinandersetzungen ein. Der sozialistische
Präsidentschaftskandidat forderte im Rundfunksender Europe 1, der
Digital-Fernsehsender "muss unter französischem Einfluss bleiben".
Die französische Kulturministerin Catherine Tasca kritisierte die
Entlassung des Canal Plus-Chefs als einen "brutalen Schritt". Der
Digital-Fernsehsender spiele seit mehr als 15 Jahren eine
entscheidende Rolle für den französischen Film. Die in den
vergangenen Tagen stark unter Druck stehende Vivendi-Universal-Aktie
legte am Mittwoch zwischenzeitlich um 1,11 Prozent auf 40,04 Euro zu.
Mit der Krise bei Vivendi Universal ist Europas größter
Pay-TV-Anbieter ins Scheinwerferlicht geraten. Spielfilme,
Live-Sportereignisse, Dokumentarfilme und Musik ohne
Werbeunterbrechnung sind die Stärken, die dem seit 1984 aufgebauten
Netzwerk 15 Millionen Abonnenten per Kabel und Satellit gebracht
haben - davon 4,6 Millionen in Frankreich. Seit 1996 verbreitet die
Gruppe ihre Programme auch digital.
Wachstumskurs konnte nicht gehalten werden
In mehreren der elf Canal-Plus-Länder machte das Unternehmen
werbe- und gebührenfinanzierten Konkurrenten wirksam Marktanteile
streitig - vor allem in Frankreich, wo die Auswahl frei empfangbarer
Programme indes längst nicht so groß ist wie etwa in Deutschland.
Zuletzt konnte Canal Plus den Wachstumskurs nicht mehr halten. Die
Gruppe verlor Abonnenten, das laufende Minus wird mit einer halben
Milliarde Euro pro Jahr beziffert.
Vor allem im europäischen Kinogeschäft ist Canal Plus eine feste
Größe: Die Gruppe ist per Gesetz verpflichtet, einen festen Teil
ihrer Einnahmen in den Einkauf von Filmen zu stecken. Der Großteil
des Geldes geht nach Europa, weniger als die Hälfte in die USA. Im
Gegenzug für den finanziellen Einsatz sichert sich Canal Plus
exklusive Erst-Ausstrahlungsrechte im Fernsehen.
Vivendi-Chef Messier kaufte 2000 die US-kanadische Gruppe Seagram
mit den weltberühmten Universal-Studios in Hollywood und schmiedete
aus seiner Gruppe, Canal Plus und Seagram den zweitgrößten
Medienkonzern der Welt nach der US-Gruppe AOL Time Warner. Zumindest
bei der Frankreich-Sparte von Canal Plus begrenzte die Pariser
Medienaufsicht den Vivendi-Einfluss auf 49 Prozent. Das Unternehmen
sollte eine gewisse Unabhängigkeit behalten - und der mit Abstand
größte Finanzier französischer Filme bleiben. (APA/AFP/dpa)