Kulturpolitik
"Nichts von 'Sound of Music'" - "Erstes ernsthaftes 'Splitter-Gebäude'"
US-Pressestimmen zum Kulturforum
New York - In US-Medien wird das Österreichische Kulturforum
in New York
wegen seiner spektakulären Architektur als auch wegen seiner Funktion
als staatlich finanzierter Vermittler von Kultur behandelt. Dabei
wird insbesondere der Bau des Osttiroler Architekten Raimund Abraham
analysiert.Nichts von
Sound of Music
Das Time-Magazin (Ausgabe 22.April) charakterisiert den
Architekten folgendermaßen: "Niemand würde ihn als jemanden
bezeichnen, der Kompromisse macht. Aus Protest gegen die
Koalitionsregierung unter Beteiligung der Freiheitlichen Partei von
Jörg Haider hat er kürzlich auf seine österreichische
Staatsbürgerschaft verzichtet."
Das Konzept des Architekten für das
Bauwerk in Manhattan wird so beschrieben: "Das Design hat nichts von
Sound of Music an sich, außer wenn man an die Musik von Schönberg
denkt. Es bezieht sich stattdessen auf Adolf Loos und Otto Wagner,
die großen Persönlichkeiten der Wiener Moderne.....". Das steil
abfallende Profil des Gebäudes wecke allerdings Assoziationen an
"einen Steilhang, auf dem Abraham in seiner Jugend vielleicht Ski
gefahren ist".
Kleine Rakete
Das schmale Gebäude wird von "Time" sogar als mögliches Vorbild
für weitere Projekte in Manhattan gesehen. "Die Stadt steht vor ihrer
wichtigsten stadtplanerischen Entscheidung in vielen Jahren, nämlich
was an Stelle des zerstörten World Trade Centers errichtet werden
soll. Abrahams kleine Rakete eines Gebäudes zeigt nicht nur, dass
Österreichs Kultur lebt sondern auch dass die City von New York
vielleicht wieder neu geboren werden kann".
Klinge einer
Guillotine
Die "New York Times" hat in ihrer Wochenendausgabe über das
österreichische Kulturinstitut ausführlich berichtet. Dabei
porträtiert die Times die staatlich finanzierten Kulturinstitute von
europäischen Ländern in New York und stellt dies den USA gegenüber,
die die Kultur nicht als diplomatisches Instrument nützen. "Mit einer
steilen durchschnittenen Glasfassade, die wie die Klinge einer
Guillotine zu fallen scheint, ist das Österreichische Kulturforum
eines der beeindruckendsten Gebäude, die in den vergangenen
Jahrzehnten in New York errichtet wurden. Es ist auch eine
dramatische, 29 Millionen Dollar teure Verkörperung, wie Nationen
Kultur benützen um ihr Image aufzupolieren".
Erbe dieser "kleinen
alpinen Nation"
"Kulturelles Prestige ist immer den Truppen und dem Handel
gefolgt, als Maßstab für den Einfluss einer Nation", schreibt die
Times. Auch nach dem Zerfall des österreichisch-ungarischen Reichs
1918 habe die Förderung des künstlerischen Erbes dieser "kleinen
alpinen Nation" das kulturelle Ansehen bewahrt. Jahrzehntelang habe
Österreich seine nationalen Kulturschätze wie die Staatsoper, die
Wiener Philharmoniker und die Salzburger Festspiele beworben. Nun
werde das Kulturinstitut in New York zu einer "überragenden neuen
Außenstelle in Amerika".
Mit der Entscheidung zum Bau Mitte der 80-er Jahre habe Österreich
versucht, aus der internationalen Isolation auszubrechen, die durch
die Enthüllungen über Bundespräsident Kurt Waldheim verursacht wurde,
der in einer Armeeeinheit gedient hatte, die in Nazi-Verbrechen
verwickelt gewesen sei. "Ein Weg um das Land in einem besseren Licht
erscheinen zu lassen wäre die Errichtung eines architektonisch
bedeutsamen Gebäudes im Zentrum von Manhattan, wurde entschieden", so
die New York Times.
Ernsthaftes Splitter-Gebäude
Das Magazin "The New Yorker" lobt die Konzeption des schmalen
hohen Gebäudes in der 52. Straße. "Splitter-Gebäude sind
üblicherweise mittelmäßige Appartment-Häuser, die auf die Grundstücke
von winzigen Stadt-Häusern gezwängt werden. Das 24-stöckige
Österreichische Kulturforum....ist das erste 'Splitter-Gebäude', das
eine ernsthafte Architektur darstellt. Das schmale Grundstück ist so
brillant genutzt, dass man sich das Gebäude nirgendwo anders
vorstellen kann".
"Die Österreicher wollten ein Gebäude, das ein klischee-freies
Bild ihres Landes zeigt", meint der "New Yorker". Der Architekt
Raimund Abraham habe nach den alten Regeln New Yorks gebaut, wonach
sich hohe Gebäude nach oben pyramidenförmig verjüngen. Das größte
"visuelle Drama" stelle die Front des Hauses mit Glas und
Zink-Platten dar, die "den Himmel schneiden".
"Gefühl der Gefahr" gewollt
Die Architektur-Zeitschrift "Wallpaper" bezeichnet das Gebäude des
Kulturforums als "kreativen Block". "Trotz einer zehnjährigen
Verzögerung ...triumphiert Abrahams Design mit Leichtigkeit über
andere Institutionen, die die ausländische Kultur bewerben wollen",
heißt es. Im Auditorium wird etwa ein Klavier über in der Wand
gelagerte Schienen von der Decke nach unten auf die Bühne
transportiert. "Ich wollte ein Gefühl der Gefahr", wird Architekt
Abraham zitiert. Das "Drama in seiner Architektur" sieht er im
"Zusammenprall einzelner Elemente".
Der Leiter des Kulturinstituts, Christoph Thun-Hohenstein, wird in
einer Dienstwohnung an der Spitze des Gebäudes wohnen und in seinen
Büro-Räumlichkeiten Gastgeber einer wöchentlichen Kultur-TV-Sendung
sein, berichtet "Wallpaper".
Dirndl vergessen lassen
Im Magazin "New York Metro" schildert der Leiter des Kulturforums
seine Pläne für die Programmgestaltung jenseits aller
Österreich-Klischees: Obwohl er ein großer Bewunderer der Wiener
Philharmoniker sei und auch den Film
Sound of Music
gesehen habe,
gebe es noch andere sehr wichtige Aspekte im österreichischen Kunst-
und Kulturleben, meint Thun-Hohenstein: "Unsere Aufgabe ist es alles
dies besser bekannt zu machen. Damit die Lederhosen vergessen werden.
Und die Dirndln".
(APA)