STANDARD: Warum sind Sie so unglücklich über eine verpflichtende Evaluierung aller Lehrveranstaltungen durch die Studenten?Spiel: Ich bin sehr für Evaluierung, aber so wie sie realisiert wird, rechtfertigt der Ertrag nicht den Aufwand. Alle Studien zeigen, dass es keine Verbesserung der Lehre bringt, wenn man nur die Lehrenden bewertet und ihnen das Ergebnis zurückmeldet. Die Studierenden können auch nur einen Teil der Lehre beurteilen. Sie wissen beispielsweise nicht, ob sie auf der neuesten Literatur fußt, ihnen fehlt meist auch der Vergleich zu anderen Lehrenden im gleichen Bereich. STANDARD: Ist es nicht ein ersten Schritt? Spiel: Es ist ein erster Schritt. Aber die Ergebnisse kranken daran, dass die Studierenden - obwohl sie oft über Vortragende jammern - extrem positiv bewerten. Bei einer fünfstufigen Notenskala werden fast alle Lehrenden zwischen eins und zwei bewertet. Was kann ein Lehrender damit anfangen, wenn er hört, die anderen haben 1,3 und ich habe 1,4 in meiner Didaktik? STANDARD: Wäre es nicht positiv, wenn sich Lehrende zumindest aus Angst vor schlechter Bewertung mehr bemühen, statt vielleicht 20 Jahre dasselbe herunterzuleiern? Spiel: Für die Karriere eines Unilehrers ist fast ausschließlich die Forschung wichtig. Man muss sich daher fragen, ob es jemand wirklich als Bestrafung empfinden würde, wenn er als Konsequenz aus einer schlechten Bewertung weniger lehren darf. Gute Lehrer hingegen würden noch mehr Zulauf bekommen, wofür sie nicht mehr Geld erhalten, aber weniger Zeit für ihre Karriere haben. STANDARD: Was ist die Alternative? Spiel: Man muss sich ganze Curricula anzuschauen: Da geht es auch um solche Fragen: Wie bildet ein Studium für den Arbeitsmarkt aus, wie gut ist die Studienorganisation, wie sind die Lehrveranstaltungen aufeinander didaktisch abgestimmt? Es muss einfach ein breiterer Ansatz sein! (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 19.4.2002)