Der Rücktritt der niederländischen Regierung wegen des Versagens der niederländischen UNO-Truppen 1995 im bosnischen Srebrenica hat eine internationale Relevanz.

Die Ereignisse in Srebrenica haben überdeutlich gezeigt, dass UN-Truppen als solche nicht geeignet sind, den Frieden zu bewahren, wenn es um wirklichen Schutz gegen einen wirklichen Aggressor geht. Die Niederländer haben nicht versagt und so die Ermordung von Tausenden bosnischen Männern ermöglicht, weil sie Niederländer waren, sondern weil sie unter UN-Befehl standen.

Die Ereignisse von damals kurz rekapituliert: Während des Bosnienkrieges hatten sich im Sommer 1995 Tausende bosnische Zivilisten vor der anrückenden serbischen Armee, die unter dem Kommando des Generals Mladic stand, in die "UN-Schutzzone" Srebrenica geflüchtet. Das niederländische Kontingent unter UN-Flagge, das sie schützen wollte, wäre stärkemäßig nicht in der Lage gewesen, es mit den serbischen Truppen aufzunehmen, als die vor den Toren standen. Aber hätten sie Entschlossenheit zum Widerstand signalisiert und über die Nato Luftunterstützung angefordert (von den US-Flugzeugträgern in der Adria), hätte es die serbische Soldateska kaum ge- wagt, einen internationalen Zwischenfall zu provozieren. So aber knickten die Niederländer (mit Billigung von UN-Generalsekretär Boutros Boutros Ghali) ein, sahen zu, wie die Serben Tausende bosnische Männer und Burschen selektierten, und rückten ab. Nicht ohne vorher noch mit General Mladic das Schnapsglas zu heben. Etwa 7000 Bosnier wurden weggebracht, erschossen und in Massengräbern verscharrt. Mladic wird sich deshalb vor dem UN-Tribunal in Den Haag verantworten müssen.

Wenige Wochen später entschloss sich die Nato - nicht zuletzt unter dem Eindruck von Srebrenica - zum Eingreifen und zwang die Serben mit einem wenige Tage dauernden Bombardement in die Knie. Aber es war eben die Nato, nicht die UNO.

Entscheidend in solchen Situationen ist klarer politischer Wille und klare militärische Verantwortung. Die Blauhelme, die die Bosnier schützen sollten, mussten versagen (nicht nur in Srebrenica), weil die UN weder über das eine noch über das andere verfügen. Wären die Niederländer unter Nato-Kommando gestanden, so hätten sie zweifellos Gegenwehr geleistet und hätten Verstärkung bekommen. Dieselben Franzosen und Briten, die unter UN-Flagge die Belagerung von Sarajewo nicht aufheben konnten, taten es dann mühelos unter Nato-Kommando.

Die UN sind eine wichtige Institution - zur internationalen Debatte und zur Legitimierung von Aktionen wie das Eingreifen im Irak, in Bosnien und in Afghanistan. Aber sie eignet sich nicht dafür, selbstständige militärische Maßnahmen in wirklich harten Situationen zu ergreifen. Dazu fehlt die einheitliche Entscheidungsstruktur. Deshalb sind Überlegungen, wie sie manche Pazifisten anstellen, die UNO möge doch in den diversen Krisenherden eingreifen, absolut unrealistisch. Eine Schutztruppe, die nicht kämpfen will und kann, wenn es notwendig ist, hat keinen Wert. Es wäre auch sinnlos, die Israelis und die Palästinenser durch UN-Truppen zu trennen.

Wahrscheinlich wird in nicht allzu ferner Zeit nichts anderes übrig bleiben, als eine internationale Truppe zwischen die beiden zu schieben. Der deutsche Kanzler Schröder denkt sogar daran, deutsche Soldaten dafür einzusetzen. Aber diese Truppe kann und muss zwar von der UN mandatiert werden, aber sie darf keine UN-Truppe sein, sondern muss letztlich unter US/Nato-Kommando stehen. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 19.4.2002)