Oder besser - um nicht gleich wieder eine Richtigstellung zu erhalten - ein immer schon im Stillen glühender Antifaschist hatte dieser Tage im Parlament sein Coming out. Jahrelang hat er verhindert, dass die Glutnester seiner antifaschistischen Gesinnung hell aufloderten, etwa wenn Kameraden "Unsere Ehre heißt Treue" hineinbliesen. Nun ist ihm der Kragen geplatzt.

Wie er Rudolf Edlinger aus dem Stand der nationalsozialistischen Wiederbetätigung überführte und damit die Maske des Antifaschisten vom Gesicht riss, das sichert ihm einen Ehrenplatz im Dokumentationsarchiv des Widerstandes. Wie viel gesundes Volksempfinden liegt doch in seinem Ekel vor Naziparolen, deren Vortrag es an der rechten Begeisterung fehlt! Und ausgerechnet diesem Gesinnungs-Stürmer musste ich nach seiner Pressekonferenz vorwerfen, er habe kein Wort der "Verabscheuung" für die Neonazidemonstration auf dem Heldenplatz und in der Kärntnerstraße gefunden. Dabei hat er doch mehrfach sowohl die gewalttätige Demonstration von Links als auch die Demonstration von Rechtsextremisten auf dem Heldenplatz und der Kärntner Straße verurteilt, wie er schreibt.

Meine einzige Entschuldigung: Das war vor dem Coming out geschrieben, als er noch im Stillen glühte. So still, dass seine Worte der Verabscheuung nicht einmal dem "Freiheitlichen Pressedienst" eine Wiedergabe wert waren, als er von dieser Pressekonferenz berichtete. Nicht eines. Seine vielen anderen Worte schon. So sagte Peter Westenthaler laut fpd: "Einmal mehr sind von linker Seite mit einem unglaublichen Ausmaß an Brutalität Gewaltakte getätigt worden." Oder: "Ich finde es schon beachtlich, daß es immer dann, wenn die Linke auf die Straße geht, gleich zum Steinewerfen, zum Bretterwerfen oder zum Polizistenverprügeln kommt." Er sprach von einer "neuen Qualität linker Gewalt auf der Straße" und schreckte vor der Frage an den SP-Chef nicht zurück: "Was tut Ihr Justizsprecher Jarolim inmitten einer gewalttätigen Demonstration, in einer Allianz von linken Anarchos, von Brutalinskis, von Verbrechern, die hier mit aller Gewalt auf die österreichische Exekutive losgedroschen hat?"

Das alles berichtete sein eigener Pressedienst, aber nichts enthält der Bericht auch nur von einem Westenthaler-Wort des Abscheus über die Nazidemonstranten. Dabei sind sogar welche gefallen, aber nicht einmal dem "Freiheitlichen Pressedienst" waren sie auffällig genug, um berichtet zu werden, und den Tageszeitungen des nächsten Tages auch nicht, so verhalten sind sie ausgefallen. Keine sah sich genötigt, ihren Lesern den Abscheu des FPÖ-Klubobmannes über die Neonazis von Heldenplatz und Kärntnerstraße zu schildern. Nur die "Austria Presse Agentur" vermeldete lapidar: Allerdings stellten die beiden Klubchefs klar, dass sie auch diese Aktion verurteilen. Das Skandieren solcher Parolen lehne er "zutiefst" ab, meinte Westenthaler. Nur das Skandieren oder auch den Inhalt? Viel ist da von Abscheu nicht zu merken.

Aber irgendwie und irgendwo muss er glimmen. Denn in Sorge um seinen eben erworbenen Ruf ließ Westenthaler Mitschriften des freiheitlichen Parlamentsklubs übermitteln, dem - weil offenbar besser trainiert - auch nicht das geringste antifaschistische Rarissimum seines Obmannes entgeht. Demnach soll es bei der Pressekonferenz als O-Ton Westenthaler Nr. 1 gegeben haben: "Dieses danach, das ich selbstverständlich auch verurteile und ich überhaupt keine Sympathie habe, daß da vor allem durch die Einkaufsstraße Nummer 1 mit irgendwelchen Nazi-Parolen gezogen wird. Ich sage das auch einmal deutlich dazu. Das brauchen wir überhaupt nicht. Natürlich muß das unterbunden werden."

Und O-Ton Nr. 2: "Und ich sage es noch einmal, damit da kein Irrtum aufkommt. Diese Parolen und was sich da auf der Kärntnerstraße abgespielt hat, lehne ich zutiefst ab und da gibt es überhaupt keine Sympathie von mir."

Ausdrücklich kein Wort des Abscheus über die Naziveranstaltung auf dem Heldenplatz, die die Ursache all des Danach war; und gerade noch ein Mangel an Sympathie für dieses danach, hauptsächlich, was die Ortswahl betrifft: Keine Nazi-Parolen in der Einkaufsstraße Nummer 1, denn wo die Geschäftsstörung beginnt, muss sich der Neonazismus aufhören, da setzt die Verabscheuung des FPÖ-Klubobmannes erbarmungslos ein.

Vielleicht wollte Westenthaler wirklich jenen Abscheu zum Ausdruck bringen, auf dem er im Nachhinein besteht, und es fehlt ihm nur noch etwas an Übung. Bis es so weit ist, wird man mit der alten Technik der Freiheitlichen leben müssen: Man frönt frech seiner Gesinnung, wird man dabei ertappt, beruft man sich auf zwei Alibi-Nebensätze - und schreit "Haltet den Edlinger!"
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19. April 2002)