Graz - Eine Mutter, die ihrer Tochter verbietet, zur Schule zu gehen, weil sie glaubt, dort würden dem Kind Organe zur Transplantation entnommen. Ein Vater, der seine Kinder nachts im Schnee stundenlang den Rosenkranz beten lässt. Zwei von vielen Schicksalen, die Kinder psychisch kranker Eltern erleiden.Helmut Remschmidt von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie schätzt, dass allein im deutschsprachigen Raum über 400.000 Kinder mit psychotischen Eltern leben. "Das kann lange Zeit unbemerkt bleiben", weiß der Grazer Psychiater Volker Danzinger. Denn die Kinder schämen sich für die Eltern, ziehen sich zurück oder geben sich sogar selbst die Schuld für das Verhalten ihrer Eltern. Kinder erstmals im Mittelpunkt Bei der am Freitag stattfindenden Tagung "Kindheit im Schatten" stehen diese Kinder erstmals im Mittelpunkt. Experten werden in der Grazer Landesnervenklinik Sigmund Freud zum Thema referieren und diskutieren. Der Andrang zur Tagung zeigt, wie vielen beruflich Involvierten das Thema unter den Nägeln brennt. Danzinger: "Drei Tage nach dem Erscheinen des Programms hatten wir bereits über 300 Anmeldungen." Unter den Vortragenden sind Werner Leixnering, Leiter der Jugendpsychiatrie an der Linzer Landesnervenklinik Wagner-Jauregg, die Wiener Kinder- und Jugendpsychiaterin Christine Koska, die das bisher einzigartige Projekt "Angehörigenarbeit mit Kindern" aus Niederösterreich vorstellen wird, und Ronnie Gundelfinger vom Kinder-und Jugendpsychiatrischen Dienst des Kantons Zürich mit dem Beitrag "Wie geht es eigentlich den Kindern?" Diese Frage stellt sich auch Gisela Holzinger im beruflichen Alltag in der Erwachsenenpsychiatrie. Holzinger, die die Tagung mitorganisiert hat: "Behandelt werden ja nur Kinder, die verhaltensauffällig oder psychisch krank geworden sind. Aber gerade die Kinder psychotischer Eltern sind oft extrem brav und leiden still, weil sie gelernt haben, ständig Rücksicht zu nehmen. Für uns wäre es ein Ziel, wenn man sich automatisch auch der Kinder von Patienten annehmen würde." (Colette M. Schmidt. DER STANDARD Print-Ausgabe 19.April 2002)