"Der ist ja völlig größenwahnsinnig geworden", heißt es, oder: "Er möchte der erste Patron sein, der heilig gesprochen wird." Wer fällt solch vernichtende Urteile? Natürlich Jean-Marie Messier selbst. Die Zitate stammen aus seinem Buch "j6m.com". "j6m" bedeutet "Jean-Marie Messier Moi-Même Maître du Monde", zu Deutsch: "Ich selbst, Herr über die Welt."Ein Spitzname, gewiss. Aber Messier mag ihn. In seinem Buch zeigt der 45-jährige Unternehmer mit der Aura eines wohlgenährten Erstkommunikanten, wie er 1996 den Pariser Wasserbaukonzern Compagnie Générale des Eaux übernahm, ihn 1998 in Vivendi umtaufte, die Universal-Filmstudios sowie deren Musiksparte übernahm und Vivendi Universal zum zweitgrößten Kommunikationskonzern der Welt machte. Messier schreibt in seinem Buch über Internetportale und Weltmusik, Börsenschlachten und Geheimverhandlungen. Er habe nur eine Bitte: "Verlangen Sie von einem Patron nicht, dass er bescheiden sei." Nicht einmal die Tränen wollte man ihm abnehmen, die er einst vor dem Personal seines Pay-TV-Senders Canal Plus vergoss. C+ leiste prächtige Arbeit, und er selbst könne darob seine "Gefühle nicht verbergen". Jetzt stellte er den defizitären Bezahlfernsehsender brutal vor die Alternative: Entweder kuscht die aufmüpfige Redaktion und ihr Chef Pierre Lescure, oder dieser erhält den blauen Brief. Sie kuschte nicht. Lescure wurde entlassen. Die Belegschaft schaltete sich live ins Abendprogramm ein und verlas ein Protestkommuniqué gegen Messier. Jetzt haben die Medien, mit denen Messier wie Napoleon mit Großmächten spielte, ihn selber ausgetrickst: Das Image des Vivendi-Chefs ist im Eimer. Es hatte damit begonnen, dass er vor Weihnachten das "Ende der kulturellen Ausnahme" Frankreichs reklamierte. Die Kultur- und Kinonation Frankreich war geschockt und wütend. In den USA begannen Anleger gleichzeitig die Firmenstrategie von Vivendi Universal zu hinterfragen. Seit Jänner ist der Aktienkurs Vivendis um fast 40 Prozent in den Keller gesackt. Messier, der zwei Pariser Eliteschulen durcheilt und seine Sporen im Kabinett des französischen Expremierministers Edouard Balladur verdient hat, um dann den Weltkonzern Vivendi zu zimmern, sitzt nun selber auf einem Schleudersitz; in Paris und auch in Hollywood wird über seine Entlassung spekuliert. So schnell liegen Aufstieg und Fall beisammen. Diese Woche sah man einen neuen Messier im Fernsehen: künstliche Lockerheit, schwache Argumente, Schweißperlen auf der Stirn. Noch ist der Narziss mit dem Babyface nicht am Ende. Messier wird für sich und sein Lebenswerk kämpfen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe 19.4.2002)