Gaza/Jerusalem - Nach den wochenlangen Kämpfen im Westjordanland hat das Blutvergießen zwischen Israelis und Palästinensern am Freitag auch wieder den Gaza-Streifen erfasst. Ein palästinensischer Selbstmordattentäter sprengte sich in der Nähe eines israelischen Militärpostens in die Luft und verletzte zwei Soldaten. An anderen Stellen des Gaza-Streifens erschossen israelische Soldaten fünf Palästinenser. Jenin wurde von den israelischen Streitkräften geräumt, die Stadt aber zum Sperrgebiet erklärt. Die israelische Armee teilte mit, in der Nähe der jüdischen Siedlung Nezarim im Gaza-Streifen seien zwei Palästinenser beim Versuch des unerlaubten Eindringens erschossen worden. Drei Männer wurden nach Angaben palästinensischer Ärzte in der Nähe der ägyptischen Grenze beim Vorrücken israelischer Einheiten in ein Gebiet erschossen, das des öfteren Schauplatz von Kämpfen war. Die Palästinenser griffen die Israelis an, die zurückfeuerten. Den Angaben zufolge gab es außerdem mindestens sechs Verletzte. Suche nach vermissten Angehörigen Unterdessen räumten die israelischen Streitkräfte nach dreiwöchiger Besetzung Jenin, erklärten die Stadt im Westjordanland aber zugleich zum Sperrgebiet. Panzer bezogen am Freitag Stellung am Rand der Stadt und ließen keinen Palästinenser in die Stadt heinein bzw. aus ihr heraus. Im weitgehend zerstörten Flüchtlingslager von Jenin suchten Einwohner nach vermissten Angehörigen. Nach einer Besichtigung des ehemals von 14.000 Menschen bewohnten Lagers sagte der UNO-Beauftragte Terje Roed-Larsen, bei der Suche israelischer Truppen nach palästinensischen Kämpfern seien 300 Gebäude zerstört worden. 2.000 Einwohner hätten ihre Unterkunft verloren. Zum Streit über die Anzahl der Todesopfer äußerte sich Roed-Larsen nicht - die Palästinenser sprachen von mehreren hundert Toten und einem Massaker an der Zivilbevölkerung, während nach israelischer Darstellung etwa 50 bewaffnete Männer im Kampf ums Leben kamen. Der UNO-Beauftragte sagte jedoch: "Kein Ziel kann eine solche Aktion rechtfertigen." Die Zustände in Dschenin seien "unvorstellbar schrecklich". Unabhängige Untersuchung vorgeschlagen Die Regierung von Dänemark hat am Freitag eine unabhängige Untersuchung des israelischen Vorgehens im Lager Jenin verlangt. Außenminister Per Stig Miller erklärte, eine Untersuchung durch die Vereinten Nationen müsse klären, ob es sich hier um humanitäre Übergriffe, direkte Massaker oder aber um Notwehr des israelischen Militärs gegen Terroristen in dem Lager gehandelt habe. Eine internationale Untersuchung sei auch angebracht, weil Israel nicht damit gedient sein könne, dass in den kommenden Monaten und Jahren unbestätigte Berichte über Massaker oder einen anderen Hergang kursierten. Einwohner von Jenin fanden am Freitag die Leiche eines Mannes, bei dem es sich vermutlich um Mahmud Tawalbeh handelt, einen regionalen Anführer der Untergrundorganisation Islamischer Dschihad. Tawalbeh hatte bekannt, Selbstmordattentäter nach Israel geschickt zu haben. Hamas-Aktivist verhaftet In Nablus wurde das Ausgehverbot für drei Stunden aufgehoben, so dass 35 bereits verwesende Leichen begraben werden konnten. Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer kündigte an, dass sich die Truppen am Wochenende aus Nablus zurückziehen werden. In der Nähe der Stadt wurde nach israelischen Angaben der Hamas-Extremist Husam Ataf Ali Badran verhaftet, den die Armee für den Tod von mehr als 100 Israelis bei Selbstmordanschlägen im vergangenen Jahr verantwortlich macht. In Bethlehem kam es Donnerstag Abend erneut zu Gefechten zwischen den israelischen Belagerern der Geburtskirche und den dort seit Anfang des Monats verschanzten Palästinensern. Über dem Gelände der Kirchen- und Klosteranlage stieg Rauch auf. In Washington erklärte US-Präsident George W. Bush, der israelische Ministerpräsident Ariel Sharon halte sein Versprechen, sich aus den seit Karfreitag besetzten Ortschaften im Westjordanland zurückzuziehen. Auch nach der Rückkehr von Außenminister Colin Powell werde seine Regierung die Bemühungen um einen Waffenstillstand im Nahen Osten fortsetzen. Israel uneins über Zukunft Arafats Die Militäraktion in den Palästinensergebieten hat nach den Worten des israelischen Verteidigungsministers Ben-Eliezer ihre Ziele erreicht. Ein weitgehender Rückzug aus den besetzten Gebieten sei nun angebracht, sagte er nach einer Kabinettssitzung Donnerstag Abend nach israelischen Medienberichten. Die Forderung von UNO-Generalsekretär Kofi Annan nach einer raschen Entsendung internationaler Friedenstruppen wies Ministerpräsident Sharon erneut zurück. Die israelische Regierung ist nach einem Pressebericht weiter uneins über die Zukunft von Palästinenserpräsident Yasser Arafat. Ministerpräsident Sharon habe auf der Kabinettssitzung am Donnerstag erneut eine Ausweisung des 72-jährigen befürwortet, berichtete die israelische Zeitung "Maariv" am Freitag. Der Verteidigungsminister und Vorsitzende der Arbeiterpartei, Benjamin Ben-Eliezer, habe sich dagegen ausgesprochen. Sharon wurde dem Bericht zufolge unter anderem von Finanzminister Silwan Shalom und von Generalstabschef Shaul Mofaz unterstützt. Der Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Beth, Avi Dichter, und der Koordinator der Militäraktion im Westjordanland, General Amos Gilad, hätten eine Ausweisung abgelehnt. Arafat sitzt seit Beginn des militärischen Vorgehens Israels im Westjordanland am 29. März in seinem von israelischen Soldaten eingeschlossenen Hauptquartier in Ramallah fest. (APA/AP/dpa)