Patrick: Bryan Ferry meldet sich zurück. Der Titel des neuen Albums "Frantic" (sinngemäß "wild") - scheint jedoch etwas irreführend. Wild ist auf dem jüngsten Werk des Vorzeige-Dandys wenig - vielmehr ist es ein elegantes Album geworden, das mich ein wenig an Roxy Music aus der Avalon-Phase (1979/80) erinnert. Eine bemerkenswerte Rückbesinnung nach seiner letzten Platte - auf der Ferry Songs aus den 20er und 30er Jahren gecovert hat, die hab ich überhaupt nicht gemocht. Was hältst du von den Dylan-Covers auf der Neuen?

Michael: Frage vorweg: ist Ferry eigentlich bei Roxy Music der bestimmende Songwriter gewesen? Denn auf der aktuellen Scheibe sind mir (überraschender Weise, aber dazu später) die Coverversionen in Erinnerung geblieben. Ich bin ja der Meinung, es ist äußerst gefährlich, sich ausgerechnet an Dylan zu versuchen. Das kann fast nur schiefgehen. Ich hatte daher geradezu ein bisschen Angst vor "It's all over now, baby blue", noch dazu wo es hier ja eine bahnbrechende Version von Van Morrison schon vorliegt. Auf "Frantic" ist das die Einstiegsnummer und wie erwartet hat sie mich nicht wahnsinnig beeindruckt. Aber wie gesagt, nach dem Durchhören der gesamten CD muss ich sagen, es ist einer der stärksten Tracks. Ist halt der beste Song hier.

Patrick: Ferry war bei Roxy Music hauptsächlich der Texter - aber natürlich auch schon immer ein großer Interpret. Und das kommt dann natürlich auch auf schwächeren Songs, wie z.b. "Cruel" oder "Goddess of Love" noch immer gut. Die Dylan-Sachen kann ich nicht ganz nachvollziehen auf der Platte, aber auch Brian Eno mischt bei zwei Liedern wieder mit. Hättest du erraten, bei welchen?

Michael: Nicht wirklich. Obwohl, mit der letzten Nummer "I thought", auf der Eno auch als Sänger in Erscheinung tritt, klingt das Album doch qualitätsvoll aus. Aber noch mal zu Dylan: wogegen "It's all over now" ganz gut gelungen ist, passt bei "Don't think twice its allright" halt nichts wirklich zusammen, denn Ferry verwandelt die zynisch-aggressive Grundstimmung der Nummer in elegisches Schmachten und das kommt nicht so gut. Aber du hast recht, er ist zweifellos ein großer Interpret und Sänger und das macht "Frantic" trotz einer wohl nicht zu leugnenden Betulichkeit und gewissen Seichte des Songmaterials zu einer ganz passablen Sache. "Wacker" würde Marcel Reich-Ranicki wohl sagen. Aber ist das wirklich ein Kompliment?

Patrick: "Frantic" ist - ich glaube, dass kann man sagen - sicherlich kein großes Album. Aber: Ein wenig doch durchweht vom Geist von Roxy Music und das genügt mir. Es ist mehr als zu erwarten war und auch wenn einiges sehr gelackt klingt (San Simeon finde ich fürchterlich) und besser in Innenstadt-Cocktail-Bars passt, allein schon als Reminiszenz an die alten Roxy Music-Platten hör ich es mir gerne an. Und Ferrys Größe kommt halt doch bei einigen Nummern durch: Goodnight Irene, Nobody Loves me...

Michael: Für die Gelacktheit mache ich jetzt einfach einmal Herrn Dave Stewart verantwortlich der bei einer Reihe von Songs den Co-Autor gab. Im Pressetext zum Album steht, Ferry wollte ein "Gitarren-lastiges Album" machen, besser wäre aber wohl gewesen, man hätte sich ein paar der, ähm, sagen wir überflüssigen Soli erspart.

Patrick: Deine Lieblingsnummern?

Michael: "It's All Over Now" gefällt mir am besten, es hat Drive, Ferrys Stimme passt und seine Harmonika-Soli kommen gut. "Cruel" und "Goddess Of Love" (gemeint ist Marilyn Monroe) erinnern deutlich an den Roxy-Sound der 80er - das sollte Auszeichnung genug sein.