Natur
Der Bauer gegen den großen Konzern
Kanadier kämpft gegen Kontamination seiner Felder
Wien - Percy Schmeiser ist ein Farmer aus Kanada, der seit
fast fünf Jahrzehnten Raps anbaut. In Nordamerika ist er seit 1998
auch eine mediale Berühmtheit: Der Gentech-Konzern Monsanto hat ihn
verklagt, weil sich auf seinen Feldern gentechnisch veränderte
Pflanzen des Unternehmens fanden. Sein Land sei ohne sein Zutun
"kontaminiert" worden, schwört der Farmer. Seither hat es sich Percy
Schmeiser zur Aufgabe gemacht, Bauern weltweit vor Gefahren durch
Gentechnik in der Landwirtschaft zu warnen. Auf Einladung der von
Global 2000 und Greenpeace war er am Donnerstag in Wien. Wie viele Bauern weltweit züchtete Schmeiser mit seiner Frau seit
mehr als 40 Jahren sein eigenes Saatgut, indem er Teile der
Vorjahresernte zurückbehielt und wieder anbaute. Monsanto behauptete
zunächst, der Farmer habe 1997 von Nachbarn illegal
herbizid-resistente Roundup-Ready-Samen erworben, ausgesät und aus
dieser Ernte Saatgut für 1998 verwendet. Der Landwirt aus der Provinz
Saskatchewan hat aber immer beteuert, dass er nie Genraps auf seinen
Feldern ausgebracht hat.
Erste Runde verloren
Tatsächlich fanden sich auf 130 Hektar seines Landes aber
genmodifizierte Rapssamen von Monsanto in unterschiedlicher
Konzentration. Percy Schmeiser bestreitet gar das nicht. Er gibt
Pollenflug von den Nachbarfeldern die Schuld, oder die Verunreinigung
könnte von vorbeifahrenden Lastwagen stammen, sagt der Farmer. Der
Konzern hat die Anschuldigungen, Schmeiser habe das Saatgut illegal
erworben, schließlich auch fallen gelassen. Die erste Runde im
Rechtsstreit im Juni 2000 hat Schmeiser trotzdem verloren.
Den Ausschlag für die Entscheidung gab der Rechtsschutz für das
patentierte Gen, das Monsanto in Rapssorten einbaut, um sie gegen das
Monsanto-Herbizid Roundup Ready resistent zu machen. "Im Normalfall"
sei der Bauer Eigentümer aller Pflanzen und Samen auf seinen Feldern,
die durch Wind oder Auskreuzung dorthin gelangen, hielt der Richter
fest. Außer wenn es sich um gentechnisch veränderte Sorten handelt.
Es spiele keine Rolle, wie die Samen auf das Land Schmeisers gelangt
sind. Weil er das Produkt auf seinen Feldern hat, müsse er zahlen wie
jeder andere, argumentierte Monsanto. 37 kanadische Dollar (26,4
Euro) pro Hektar.
Seit 1996 wirbt der Saatgut-Riese in Kanada intensiv für seine
gentechnisch veränderten Organismen. Den Farmern werden besser
Erträge in Aussicht gestellt und ein reduzierter Einsatz von
Chemikalien. Seither, so Schmeiser, "gibt es in ganz West-Kanada
keinen Landstrich, der nicht kontaminiert ist. Es hat nur rund vier
Jahre gedauert".
"Superpflanzen" entstanden
Die Versprechen hätten nicht gehalten: Anstatt weniger brauche es
jetzt bis zu neun Mal mehr Chemie (von Monsanto), denn durch
Auskreuzungen seien "Superpflanzen" ("super-weed") entstanden, sagte
Schmeiser. Wind, Insekten und andere Tiere hätten die veränderten
Organismen weithin verteilt. Und jeder Farmer, dessen Felder, ob
Raps, Weizen, Flachs oder Sojabohne etc., unfreiwillig betroffen
sind, zahle an Monsanto. "Die Lage ist außer Kontrolle", klagte
Schmeiser an. Seine Forderung: Der Gentech-Riese soll sein Recht auf
die Gen-Patente verlieren.
"1996 wusste niemand, was auf uns zukommt", sagte Percy Schmeiser. "Man hat nur die angebliche Vorteile gehört. Aber
die Europäer können aus unseren Erfahrungen lernen." Gentechnisch
veränderte Organismen könnten, einmal ausgesetzt, nicht "eingedämmt",
nicht unter Kontrolle gehalten und schon gar nicht wieder
zurückgerufen werden: "Eine gute Rapspflanze produziert 4.000 bis
10.000 Samen. Wind und Tiere tragen sie Kilometer weit."
"Friedliche Ko-Existenz" unmöglich
Deshalb sei eine "friedliche Ko-Existenz" unmöglich: "Die
Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen zerstört die
Biobauern ebenso wie die konventionelle Landwirtschaft", so
Schmeiser. Selbst kanadischer Honig könne nicht mehr in Länder
exportiert werden, die Gentechnik in Nahrungsmitteln ablehnen.
Bei Raps sei die Gefahr der Auskreuzung durch Pollenflug und
Insektenbestäubung besonders hoch, hat eine Studie der European
Environment Agency (EEA) bestätigt: Raps werde als
"Hochrisikopflanze" für pollenflugbedingte Auskreuzung über Distanzen
bis vier Kilometer bewertet.
Ende dieses Jahres oder Anfang 2003 wird das seit 1998 EU-weit
bestehende Moratorium für die Neuzulassung von GVO-Pflanzen
(genetisch veränderte Organismen, Anm.) fallen. Dann werden auch die
österreichischen Anbauverbote für Genmais aufgehoben werden.
"Österreich steht 2003 ein 'Dammbruch' ins Haus, denn mit einem
Schlag können dann bis zu einem Dutzend verschiedene Genpflanzen
kommerziell angebaut werden", warnt Global 2000-Experte Daniel
Hausknost.
Die Umweltschützer sehen den Fall Schmeiser als "mögliche
Vorwegnahme von Ereignissen, die auf Österreich zukommen können".
Österreich müsse sich als ganzes zur gentechnikfreien Zone erklären.
Sammelklage
Percy Schmeiser ist nicht der einzige, dessen Felder stark
gentechnisch kontaminiert wurden. Im Jänner 2002 reichten 1.000
Biobauern in Saskatchewan eine Sammelklage gegen Monsanto und Aventis
ein, weil ihre Raps-Ernten verunreinigt waren.
Wie viele Betroffene es tatsächlich gibt, ist laut dem Farmer
schwer zu ermitteln. Wer bei Monsanto kauft oder in eine Lage wie
Schmeiser selbst gerät, sich aber auf eine außergerichtliche Einigung
einlässt, müsse dem Konzern schriftliches Stillschweigen über alle
Vereinbarungen zusichern.
Schmeiser wurde zur Zahlung von 400.000 kanadischen Dollar
(286.246 Euro) Schadenersatz für die angebliche Patentverletzung
verurteilt. Das Berufungsverfahren ist anhängig, eine nächste
Verhandlung für den 15. und 16. Mai angesetzt. Aller Voraussicht nach
wird der Streit um die Haftungsfragen aber bis zum Höchstgericht
gehen. Die Kosten des Rechtsstreits belaufen sich für Schmeiser schon
auf 200.000 Dollar (142.714 Euro), ein Teil davon wurde von Spendern
aus aller Welt aufgebracht, die in ihm einen Kämpfer "für die Rechte
der Bauern" und "gegen die totale Kontrolle der Verfügbarkeit von
Saatgut" sehen.
Ihm gehe es aber auch um die Umwelt und die Sicherheit von
Lebensmitteln, betonte Schmeiser. Anders als in Österreich gibt es in
Kanada nicht einmal eine Kennzeichnungspflicht für Nahrungsmittel mit
gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen.
(APA)