In seinen "Kindergeschichten" beschreibt der Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel einen Mann, der alle Dinge umbenennt: den Stuhl nennt er Wecker, den Tisch Teppich usw. So verfährt zurzeit die Regierung mit den Inhalten des am 8. März 2002 veröffentlichten Universitätsgesetzes.Unter dem Stichwort "Autonomie" soll den Universitäten der letzte Rest von Autonomie genommen und parteipolitischen Übergriffen Tür und Tor geöffnet werden. Angesichts der Dramatik dieser Situation ist es schwer nachvollziehbar, warum im ORF und in den Printmedien die kritischen Stimmen kaum zu Wort kommen - im Gegensatz zum Internet (siehe Webtip). Die zentralen Richtlinien der Universität sollen künftig von einem Universitätsrat abhängig sein, in dem nicht ein einziges Mitglied von der Universität selbst stammen darf. Die fünf Mitglieder des Universitätsrates aus "verantwortungsvollen Positionen in den Bereichen Wissenschaft, Kultur oder Wirtschaft" werden vielmehr von der Bundesregierung auf Vorschlag des Bundesministers (2) und vom Senat der Universität (2) gewählt, das fünfte Mitglied wird von diesen vieren gewählt. Falls es zu keiner Einigung kommt - was in dieser Konstellation leicht denkbar ist -, wählt das Ministerium aus einem Dreiervorschlag der Akademie der Wissenschaften. Dieser Universitätsrat ist befugt, den nach innen ohne demokratische Kontrolle regierenden Rektor abzusetzen. Autoritäre Wende Die demokratischen Gremien werden abgeschafft: die Fakultäten, die Institutskonferenzen, die Studienkommissionen, die Berufungs- und Habilitationskommissionen. Das einzige in der Uni selbst noch bestehende Gremium ist ein Senat, der aus zwölf bis 24 Mitgliedern bestehen soll und in dem die Professoren die absolute Mehrheit haben müssen. Studierende und Angehörige des Mittelbaus werden somit in Zukunft keine (entscheidungsfähige!) Stimme mehr haben. Aber es handelt sich nicht um die Rückkehr zur alten Ordinarien-Universität, auch die Professoren werden kaum noch Gestaltungsmöglichkeiten haben. Man stelle sich vor: Eine winzige Gruppe (Senat), in der unmöglich jedes Institut vertreten sein wird, fällt sämtliche Entscheidungen. Diese Organisationsform bringt zwingend autoritäre Strukturen mit sich; die ganze Last der Verwaltung, die bisher aufgeteilt war, wird jetzt ganz wenigen aufgebürdet. Welche kompetenten Professoren werden dafür überhaupt noch zur Verfügung stehen? Die Studienpläne etwa werden nicht mehr von FachvertreterInnen, die über die notwendige Kompetenz verfügen, erstellt. Der Senat kann allerdings wieder neue Organe wie Studienkommissionen oder Institutskonferenzen schaffen - allerdings haben diese keine wie immer geartete Entscheidungsbefugnis! Wenn also das Ministerium beschwichtigend darauf verweist, dass sich die Universität "autonom" ihre Gremien selbst schaffen kann, ist das blanker Hohn. Abgesehen von der Demotivierung aller Mitglieder der Hochschulen und abgesehen von der Erziehung zum autoritären Denken und opportunistischen Handeln (nur wer sich mit dem Rektor gutstellt, hat eine Chance) wird auch die fachliche Qualität leiden, wenn Menschen über Dinge bestimmen müssen, die sie unmöglich beurteilen können. Ziel der Ausgliederung sind Einsparungen für den Staat; die Universitäten sollen vermehrt ihr Budget aus Drittmitteln und Studiengebühren beziehen. Die stärkere Abhängigkeit von einer Direktfinanzierung durch die Wirtschaft ist für alle Kultur- und Geisteswissenschaften, die Sozialwissenschaften und die Künste bedrohlich. Welcher Konzern wird kritische kultur-und sozialwissenschaftliche Studien fördern, die aber für die Selbstreflexion und damit Veränderungsmöglichkeiten einer komplexen Gesellschaft unabdingbar sind? Aber auch für die Grundlagenforschung der Naturwissenschaften und Medizin wird sich die Abhängigkeit von marktwirtschaftlichen Kriterien problematisch auswirken, wie wissenschaftliche Studien aus den Vereinigten Staaten belegt haben. Falsche Rechnung Mit dieser Form der "Ausgliederung" entledigt sich der Staat seiner sozialen und bildungspolitischen Verantwortung, schafft sich aber gleichzeitig Mittel zu einer nie da gewesenen politischen Einflussnahme. Universitäten und Kunstuniversitäten sind keine Betriebe, deren "Effektivität" nach rein wirtschaftlichen und quantitativen Kriterien wie beispielsweise dem Output akademisch gebildeter Arbeitskräfte für die Wirtschaft bei möglichst kurzer Studiendauer für möglichst geringe Kosten gemessen werden kann. Im Gegensatz zu diesem Leitgedanken des aktuellen Gesetzesentwurfs wurde noch im Universitäts-Organisationsgesetz von 1993 Sinn und Funktion der Universität wie folgt definiert: "Universitäten sollen verantwortlich zur Lösung der Probleme der Menschen und der gedeihlichen Entwicklung der Gesellschaft und der natürlichen Umwelt beitragen." Selbst wenn man aber das bei aller Veränderung jahrhundertealte Konzept der Universität als Ort des Wissens, der (Grundlagen-)Forschung und Lehre, als Ort der Reflexion und Diskussion zu Grabe trägt, selbst wenn man in der Tat von den Universitäten nur noch stromlinienförmige, schnell gebackene Akademiker mit Berufsausbildung haben will, wird man das von diesen nun per Gesetz zur Unprofessionalität gezwungenen Betrieben nicht bekommen können. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 20/21.4.2002)