Für die SPÖ und die Grünen ist es Ehrensache, gegen Studiengebühren zu sein. Sie versprechen die Abschaffung für den Fall des Wahlsieges. Die Argumente lauten: Bildung darf nichts kosten, Chancengleichheit und ähnliches. Gut. Aber was folgt daraus? Auch vor der Einführung der Studiengebühren musste für viele Ausbildungen auf den Universitäten gezahlt werden. Nur heißen diese Ausbildungen nicht Studien, sondern Universitätslehrgänge. Mittlerweile gibt es fast 300 davon und jeden Monat wird die Liste länger. Diese Lehrgänge werden zum größten Teil von Universitäten organisiert. Für sie sieht das Studiengesetz vor, dass die Kosten durch Gebühren gedeckt werden müssen. Dieses Gesetz stammt aus der Zeit der SPÖ-ÖVP Regierung. Die Kosten reichen von 72/ Semester (Lehrgang Tapisserie, Akademie für bildende Künste Wien, 100/Semester (Lehrgang Tonsatz nach Heinrich Schenker, Musikuniversität Wien) bis zu 30 500 für einen 14-monatigen Kurs (Aufbaustudium Executive, WU-Wien). Der größte Teil kostet zwischen 1000 und 2000 je Semester. Sie sind also deutlich teurer als die eigentlichen Studien.Ein großer Teil der Ausbildungen sind berufsbegleitend. Alle sind orientiert an einem spezifischen und engen Berufsbild. Die Preise hängen eher mit dem zu erwartendem Einkommen ab, als von den Kosten. Der Universitätslehrgang "Politische Bildung" (Universität Salzburg, 4 Semester) kostet 250/ Semester, der Lehrgang für Personal-und Organisationsentwicklung (privat) fast das zehn-Fache. Der erste Kurs will die "Bereitschaft zu verantwortungsvollem politischen und sozialen Handeln wecken". Der private Kurs soll zur Personalführung in kleineren und mittleren Unternehmungen befähigen. Da kann man mehr verdienen. Dass es diese Ausbildungen gibt, ist nicht schlecht. Dass sie von Universitäten organisiert werden, ist nicht abzulehnen. Ich sehe auch keinen Grund, warum sie kostenlos sein sollen. Aber eines verstehe ich nicht: wieso kostet das 8-Semester Studium der Betriebswirtschaftslehre 363 je Semester, der 4-semestrige, nicht post-graduale Uni-Lehrgang Versicherungswirtschaft (Universität Linz) 1150 je Semester? Ein entsprechender Lehrgang an der Uni Graz kostet 1000/Semester. Mich interessiert auch, wieso die SPÖ und die Grünen empört sind, weil man für ein Medizinstudium 363 je Semester zahlen muss, aber zu akzeptieren scheinen, dass für den "Universitätslehrgang zur Ausbildung von Mehrfachtherapie-Konduktor/innen und für Cerebralparetiker und Mehrfachbehinderte" (4 Semester, Universität Wien) 1526 für ein Semester zu zahlen sind. Die Absolventen dieses Lehrgangs verdienen gut - aber sicher nicht so gut, wie die Ärzte, die bei mittlerer Studienzeit für ihre Ausbildung nicht mehr zahlen als diese Therapeuten. Ist es mit Gerechtigkeit vereinbar, wenn für eine zwei-jährige Ausbildung zum Tourismusmanager (Universität Klagenfurt) 5200 zu zahlen sind, für ein volles Wirtschaftsstudium aber nur 2900 (bei Mindestzeit) gemäß Blau-Schwarz. Interessant wäre, was der Verfassungsgerichtshof sagen würde, wenn ein Student einer solchen Ausbildung wegen dieser Gebühr Klage wegen Verletzung des Gleichheitsgebotes erheben würde. Wieso dürfen Uni-Mittel für die Ausbildung der zukünftigen Ärzte verwendet werden, nicht aber für die Ausbildung zum Suchtberater (Uni Innsbruck, 5200, 3 Semester)? Ich verstehe es nicht. Diese Bemerkungen sind kein Plädoyer für höhere Studiengebühren, oder dafür, dass alle Aus- und Weiterbildungskosten vom Staat getragen werden. Sie sind aber eine Aufforderung, Positionen zu entwickeln, die den heutigen Gegebenheiten entsprechen - nämlich, dass ein steigender Anteil post-sekundärer Ausbildung nicht in traditionellen Studien erfolgt. Ausgangspunkt für solche Überlegungen können zwei Aspekte sein. Erstens, Studierende sind offensichtlich bereit, Ausbildungskosten zu zahlen, wenn etwas dafür geboten wird. Andernfalls ist nicht zu erklären, wieso teure Halbstudien ein Publikum finden, wenn doch die "richtigen" Studien viel weniger kosten. Zweitens, Studierende aus Familien mit niedrigen Einkommen sind stärker zu fördern als solche aus Familien mit höherem Einkommen. Die derzeitige Regierung braucht nicht zu handeln. Für sie ist die Ausweitung der teuren Lehrgänge eine Bestätigung ihrer Politik. Wenn die Opposition in Bildungsfragen aber wieder interessante Positionen vertreten will, dann darf man sich nicht mit der Forderung nach kostenlosem Zugang zu Universitäten begnügen und damit nur die traditionellen Studien meinen. Gefordert ist eine Politik, die auch gegenüber jenen gerecht ist, die einen anderen Weg post-sekundärer Ausbildung gehen. Sie könnte auch von "richtigen" Studenten akzeptiert werden. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 20/21.4.2002)