Ungarn
Sozialisten fordern "sofortigen Rücktritt" des TV-Intendanten
40-Minuten-Film über Regierungspartei ausgestrahlt - "Marionetten der Regierung"
Budapest - Die ungarischen Sozialisten (MSZP) haben den
"sofortigen Rücktritt" des Intendanten und des Nachrichtendirektors
des öffentlich-rechtlichen Fernsehens (MTV) verlangt. In einer
Erklärung von Freitagabend warf MSZP-Vizechefin Ildiko Lendvai der
Fernsehführung "verzerrte Proportionen" bei der Berichterstattung
über das Ende des Wahlkampfs vor. Durch "außerordentliche
Programmänderungen" sei mit einem 40-Minuten-Film über den Bund
Junger Demokraten (Fidesz) Propaganda für die Regierungspartei
gemacht worden. Dieser Film hätte Fidesz bei kommerzieller Herstellung 100
Millionen Forint (413.479 Euro) gekostet, behauptete Lendvai. Die
verantwortlichen MTV-Mitarbeiter hätten sich damit als "Marionetten"
der Regierung und "unwürdig zur Lenkung der öffentlich-rechtlichen
Institution eines demokratischen Landes" erwiesen. Mit dem Vorwurf
einer "schweren Verletzung der Sauberkeit der Wahlen" wandten sich
die Sozialisten auch an die staatliche Wahlbehörde (OVB).
Ausklang
Mit einem "Konzert für die Demokratie" beendete in der Nacht das
konservative Bündnis Fidesz-Ungarisches Demokratisches Forum (MDF)
seinen Wahlkampf. Justizministerin und MDF-Vorsitzende Ibolya David
erklärte dabei: "Unser Zusammenschluss bietet all jenen Bürgern ein
Zuhause, für die Heimat, Nation, bürgerliche Zukunft und Entwicklung
wichtig sind". Ministerpräsident Viktor Orban verglich sich nach dem
Wahlkampfmarathon der vergangenen Wochen mit einem Sportler am Ende
seiner Kräfte und rief den Zuhörern zu: "Passen Sie auf Ungarn auf!"
Unterdessen erstattet Fidesz-Chef Zoltan Pokorni Anzeige wegen
Verleumdung gegen den MSZP-Vorsitzenden Laszlo Kovacs. Grund war die
Behauptung von Kovacs, dass Fidesz im Ausland gedruckte Flugblätter
ins Land habe schaffen lassen, die nach Ende der erlaubten
Wahlkampfzeit als Propagandamaterial der Sozialisten verteilt werden
sollten. Damit wolle man der MSZP den Bruch der "Wahlkampfruhe" seit
Freitag Mitternacht vorwerfen und im Bedarfsfall die Wahl von Sonntag
anfechten, so Kovacs.
Nach Medienberichten sollen die strittigen Flugblätter in einer
Druckerei in Augsburg gedruckt worden sein. Die Landeskommandatur der
Ungarischen Zollwache wies die Behauptung von Kovacs zurück, dass
eine derartige Lieferung die Landesgrenzen überschritten habe. (APA)