Belgrad - Belgrad ist stark darum bemüht, die Festnahmen von
mutmaßlichen Kriegsverbrechern zu vermeiden. Die jugoslawische
Regierung hatte die dreitägige Frist, die sie den mutmaßlichen
Kriegsverbrechern am vergangenen Mittwoch eingeräumt hatte, um sich
freiwillig dem UNO-Tribunal in Den Haag zu stellen, bis Montag Mittag
verlängert. Vorerst steht aber nur fest, dass der frühere
jugoslawische Generalstabchef Dragoljub Ojdanic in ein paar Tagen
freiwillig nach Den Haag abreisen wird. Die Belgrader Tageszeitung "Blic" berichtet am Sonntag unter
Berufung auf den stellvertretenden jugoslawischen Justizminister
Nebojsa Sarkic, dass Verhandlungen auch mit dem früheren
jugoslawischen Vizepremier Nikola Sainovic im Gange seien. Die
Regierung hatte jenen Angeklagten, die sich dem
UNO-Kriegsverbrechertribunal selbst stellen würden,
Sicherheitsgarantien versprochen, welche es ihnen ermöglichen würde,
bis zum Prozessbeginn in Freiheit zu bleiben.
Das Angebot gilt für 23 Angeklagte, nur zehn von ihnen sind
jugoslawische Staatsbürger. Wie die Dinge stehen, hat sich die
Mehrheit dazu entschlossen, den Ablauf der Regierungsfrist
abzuwarten. Um so mehr als sich sehr viele gar nicht in Jugoslawien
aufhalten dürften. Die angeklagten jugoslawischen Staatsbürger
scheinen aber auch andere Gründe dafür zu haben. Mit dem
Tribunalsgesetz, das vom jugoslawischen Parlament in der Vorwoche
erlassen worden war, bewegen sich die Belgrader Behörden nämlich auf
äußerst dünnem Eis. Die jugoslawische Verfassung verbietet die
Auslieferung von eigenen Staatsbürgern an Drittländer. Rechtsexperten
vermochten sich bisher nicht darüber zu einigen, ob sich diese
Bestimmung auch auf das UNO-Tribunal beziehen.
Tribunalgesetz
Die serbische Sozialistische Partei von Slobodan Milosevic hatte
beim Verfassungsgericht bereits einen Einspruch gegen das
Tribunalsgesetz eingereicht. Gemäß den Medienberichten wird das
Gericht das strittige Gesetz erst begutachten, wenn es zu einer
ersten Auslieferung kommt. Dem Verfassungsgericht steht dann auch die
Möglichkeit zu, die weitere Anwendung des Tribunalsgesetzes bis zur
Bewertung seiner Verfassungsmäßigkeit vorläufig zu stoppen.
Dies bedeutet, dass die Justizbehörden ab Montag gleich mehrere
Auslieferungsverfahren, wenigstens was jugoslawische Staatsbürger
angeht, einleiten müssten, um mehrere Angeklagte gleichzeitig zu
überstellen und somit die erwarteten vorläufigen Maßnahmen des
Verfassungsgerichtes, durch die die Umsetzung des Tribunalsgesetzes
vorläufig gestoppt würde, zu umgehen. (APA)