Zum Wochenende fand sich eine ungewöhnliche Runde in der österreichischen Botschaft in Berlin ein: Vertreter von jüdischen Einrichtungen, NS-Mahnstätten und junge Österreicher. Gefeiert wurde das zehnjährige Bestehen des Gedenkdienstes, der Möglichkeit, Zivildienst im Ausland zu leisten. Drei Organisationen - Niemals Vergessen, Gedenkdienst und Verein für den Dienst im Ausland - bieten Mitarbeit bei Stätten, die an die Gräuel der Vergangenheit erinnern, an. Derzeit sind in Deutschland elf im Einsatz, weltweit haben bisher 650 diese Möglichkeit genutzt.Markus Lutterotti, Österreichs Botschafter in Berlin, würdigte den Einsatz als "patriotischen Dienst". Weiters sagte er, Österreich bekenne sich zu seiner historischen Verantwortung während der NS-Zeit, "wenngleich Österreich als Staat nicht in die Verbrechen involviert war". Zu dieser Unterscheidung merkte Andreas Nachama, Direktor der Stiftung Topographie des Terrors und früherer Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Berlin, kritisch an: "Ich würde nicht zwischen Österreich und Österreich differenzieren." Er hob hervor, wie wichtig für die Wahrnehmung im Ausland das Engagement der jungen Österreicher sei. "Das vermittelt ein wichtiges Bild vom heutigen Österreich. Erinnerungsarbeit gehört dazu." Bei den jüdischen Gemeinden werde dies "sehr positiv bewertet". Christian Staffa von der Aktion Sühnezeichen, die Vorbild für den Gedenkdienst war, sieht nun seinerseits die österreichische Regelung als beispielhaft an: In Deutschland werde nun versucht, wie in Österreich eine finanzielle Entschädigung zu erreichen. In Österreich beträgt die Unterstützung für Gedenkdiener rund 600 Euro monatlich. Die Gedenkdiener in Deutschland sind zufrieden mit ihrer Entscheidung: "Man ist nahe am Geschehen", meint der 22-jährige Lukas Willmann, der im Haus der Wannseekonferenz in Berlin arbeitet. So konnte er an der Vorbereitung der zweiten Auflage der Wehrmachtsausstellung mitwirken, die derzeit in Wien gezeigt wird. Der 29-jährige Jürgen Supthut, der bei der Topographie des Terrors mitarbeitet, hat festgestellt: "Die Beschäftigung mit der Vergangenheit ist in Deutschland intensiver." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.04.2002)