Ungarn
Ungarischer Präsident Madl verspricht rasche Regierungsbildung
Aufruf zur Versöhnung
Budapest - Der ungarische Präsident hat nach der
Parlamentswahl eine rasche Regierungsbildung versprochen. Zugleich
rief er in der Nacht auf Montag in einer Pressekonferenz in Budapest
alle Parteien zur nationalen Versöhnung auf. "Es war ein harter
Kampf, aber ab morgen muss jeder Bürger, jede Partei, jeder
Abgeordnete und jeder Politiker sich auf die Aufgaben des Landes
konzentrieren", sagte Madl. "Ab jetzt geht es nicht mehr darum, die
Wahlen zu gewinnen, sondern unsere gemeinsamen Ziele zu
verwirklichen." Der Präsident wird entsprechend der Verfassung innerhalb der
kommenden 30 Tage das neue Parlament zu einer konstituierenden
Sitzung zusammenrufen. Seine zweite Aufgabe als Staatsoberhaupt sei
es, danach innerhalb einer Frist von neuerlich 30 Tagen die Person
des künftigen Ministerpräsidenten vorzuschlagen. Er werde dazu in den
kommenden Tagen mit den wichtigsten Vertretern der Parlamentsparteien
zusammenkommen, erklärte Madl. Seinen Vorschlag für den neuen
Regierungschef werde er "so bald wie möglich" dem Parlament vorlegen,
betonte der Präsident.
Der scheidende Ministerpräsident Viktor Orban vom Bund Junger
Demokraten (Fidesz) anerkannte die Niederlage seiner Partei, die zwar
eine absolute Mehrheit nach dem vorläufigen Ergebnis nur um sechs
Sitze verfehlte, aber gegenüber der gemeinsamen Opposition aus
Sozialisten (MSZP) und Liberalen (SZDSZ) künftig in der Minderheit
ist. "Ich rufe Sie auf, sich dem Willen der Mehrheit zu fügen", sagte
er zu mehreren tausend Anhängern in Budapest. "Wir haben eine
Schlacht verloren, weil wir die Regierung verloren haben, aber unser
Ziel ist unverändert."
Als Opposition werde Fidesz weiter die Anliegen des "bürgerlichen
Ungarns" vertreten. "Jetzt, wo die von ins gesetzten Bäume in Blüte
stehen, ist es unsere Aufgabe, sie zu schützen", versprach Orban.
Seine Regierung habe in den vergangenen vier Jahren ein
"unabhängiges, starkes und wohlhabendes Ungarn" geschaffen.
Der Spitzenkandidat der Sozialisten, der parteilose frühere
Finanzminister Peter Medgyessy, anerkannte das Verhalten Orbans.
"Heute hat er sich wie ein Gentleman benommen", sagte er in
Anspielung auf die teilweise äußerst harten Angriffe Orbans in der
Endphase des Wahlkampfs. "Nun, wir haben gewonnen", sagte Medgyessy
zu dem unerwartet knappen Ergebnis und kündigte erneut an, ein
"Ministerpräsident für zehn Millionen Ungarn" sein zu wollen. Die
formellen Koalitionsgespräche mit den Liberalen würden bereits am
Montag beginnen.
Der Chef der Liberalen, Gabor Kuncze, schloss eine Zusammenarbeit
mit Fidesz aus. Er rief Präsident Madl dazu auf, den
Regierungsauftrag an einen Politiker zu vergeben, "der dazu auch in
der Lage ist". Nach der ungarischen Verfassung muss das Parlament den
Regierungschef mit einfacher Mehrheit bestätigen. "Wir haben unser
wichtigstes Ziel erreicht", sagte Kuncze, indem die bisherige
Opposition gemeinsam die Mehrheit gegenüber Fidesz gewinnen konnte.
Die wichtigste Aufgabe für Ungarn sei nun ein "rascher und
problemloser" EU-Beitritt. (APA)