Wien - Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) führt das Ergebnis des ersten Durchgangs der Präsidentschaftswahlen in Frankreich auf drei Faktoren zurück: "Es zeigt sich, dass das Nicht-Erst-Nehmen von für die Bevölkerung wesentlichen Themen, eine Zersplitterung der politischen Kräfte und die Abstinenz von großen Teilen der Wählerschaft ein solches Ergebnis bringen können", sagte er am Montag in Wien. Dass mit Jean-Marie Le Pen ein Kandidat der extremen Rechten an zweiter Stelle liegt, sei "weit mehr als ein Schönheitsfehler". Das Ergebnis müsse Frankreich zu denken geben.Zurückzuführen sei der Erfolg von Le Pen nicht zuletzt auf den Wunsch der Wähler, "Protest" oder "Antipathie" auszudrücken - "der Schuss kann nach hinten losgehen", warnte der Kanzler. Khol ortet "bedauerliches Signal" ÖVP-Klubobmann Andreas Khol sprach in einer Reaktion auf den Wahlerfolg des Rechtsextremistenen Jean Marie Le Pen von einem "bedauerlichen Signal, dass eine antisemitische und rassistische Partei der extremen Rechte in einer freien Wahl so viele Stimmen erhält". Als Ursachen für den Wahlausgang nannte Khol die Politikverdrossenheit über die "alte Politik" sowie die Versäumnisse der sozialistischen Regierung Frankreichs, zwei wichtige Probleme zu lösen, nämlich die Sicherheits- und Ausländerfrage sowie die Bildungsfrage. Insgesamt sieht Khol die Fortsetzung eines Trends: "Eine sozialistische Regierung nach der anderen wird in Europa abgewählt." Le Pen-Ergebnis für Westenthaler "bedenklich" Für den freiheitlichen Klubobmann Peter Westenthaler ist der Einzug des Rechtsextremisten Jean Marie Le Pen in die Stichwahl um den französischen Präsidenten "bedenklich". Er verwies auf die "extremistischen Positionen", die Le Pen vertrete. Insgesamt ortet der freiheitliche Klubobmann angesichts der diversen Wahlgänge vom Sonntag ein Ende des Sozialismus in Europa. Cap sieht keinen Trend zum Rechtsextremismus in Frankreich Keinen Trend zum Rechtsextremismus in Frankreich ortet der geschäftsführende Klubobmann der SPÖ, Josef Cap, angesichts des Ergebnisses des ersten Durchgangs der Präsidentschaftswahlen. Den Grund für den Wahlerfolg des Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen sieht Cap einerseits im Wahlsystem, andererseits in der Zersplitterung der französischen Linken sowie in der geringen Wahlbeteiligung begründet. Le Pen habe "absolut gar nicht zugelegt", hielt der SPÖ-Klubobmann fest, habe aber von der geringen Wahlbeteiligung profitiert. Diese wiederum ergebe sich aus dem spezifischen französischen Wahlsystem, wo viele erst am zweiten, entscheidenden Wahlgang teilnehmen würden. Dadurch entstehe ein "Zerrbild". Durch den zu erwartenden Sieg von Jacques Chirac sieht Cap dennoch keinen weiteren Rechtsruck. Denn bei den nächsten Parlamentswahlen könnte es durchaus wieder eine Bewegung nach links geben, die dann für die nötige Balance sorgen würde. Grüne sehen Ohrfeige für Establishment Frankreichs Die Grünen sehen die Wahlen in drei europäischen Ländern vom gestrigen Sonntag "mit sehr gemischten Gefühlen". Das Ergebnis ist Frankreich sei "eine schallende Ohrfeige für das politische Establishment", sagte Bundessprecher Alexander van der Bellen. Dass der "Rechtsextremist und Antisemit" Jean-Marie Le Pen an zweiter Stelle gelandet ist, hält Van der Bellen für "eine Ohrfeige für das gesamte Establishment Frankreichs", sowohl für den an dritter Stelle liegenden Sozialisten Lionel Jospin als auch für den konservativen Sieger der ersten Runde, Jacques Chirac. Bei der Auswahl zwischen Chirac und Le Pen in der Stichwahl seien die französischen Wähler "nicht zu beneiden". Viele Wähler hätten offenbar das Gefühl gehabt, dass sich die Politik den wichtigen Fragen, wie der hohen Jugendarbeitslosigkeit, nicht zugewendet habe. Le Pen sei es dagegen gelungen, mit Sicherheitsthemen und Anti-Ausländer-Parolen durchzukommen, sieht Van der Bellen als Gründe. Voggenhuber: Deutliches Zeichen der Neuformierung des Faschismus Der Grüne Europasprecher Johannes Voggenhuber sieht im Erfolg Le Pens "ein deutliches Zeichen der Neuformierung des Faschismus in Europa". Die Verantwortung dafür tragen seiner Meinung nach die etablierten Parteien. "Sie zündeln mit Ausländerfeindlichkeit, nationaler Identität und Nationalismus, und sie vernachlässigen die Demokratiefrage und die soziale Frage. Sie glauben das Gift dosieren zu können, doch dann kommen Leute wie Le Pen, Fini, Haider, Berlusconi, die nicht zündeln, sondern den Brand entfachen." Voggenhuber befürchtet, dass der Erfolg Le Pens auch ein Scheitern des EU-Konvents nach sich ziehen könnte. Klestil nennt Ergebnis von Frankreich-Wahl "überraschend" Bundespräsident Thomas Klestil hat das Ergebnis der französischen Präsidentenwahl vom Sonntag als "überraschend" bezeichnet. Das Ergebnis von Wahlen sei zu respektieren, es sei allerdings "vorauszusehen", wie das Resultat des zweiten Wahlgangs am 5. Mai aussehen werde, so Klestil in Anspielung auf Umfragen, die dem Amtsinhaber Jacques Chirac im zweiten Wahlgang 80 Prozent der Stimmen voraussagen. Sein Herausforderer, der Rechtsextremist Jean-Marie Le Pen, wird demnach voraussichtlich nur auf 20 Prozent kommen. Klestil äußerte sich auf eine entsprechende Journalistenfrage bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in der litauischen Hauptstadt Vilnius am Dienstag mit dem litauischen Präsidenten Valdas Adamkus. Dieser erklärte zu Le Pen, dass es "Verfechter dieses Lagers" auch in anderen Ländern wie Litauen oder Österreich gebe, was dann zu Ergebnissen führen könne, "die die internationale Gemeinschaft stutzig machen". (APA)