Wien - Die Häufigkeit von Allergien nimmt rasant zu. Im Zeitraum der vergangenen etwa 80 Jahre hat sich der Anteil der Pollenallergiker an der Gesamtbevölkerung von einem Prozent auf nunmehr 15 Prozent erhöht. Nimmt man alle verschiedenen allergischen Erkrankungen zusammen, leiden bereits 25 Prozent der Österreicher an solchen Krankheiten. Dies erklärten Fachleute am Wochenende bei einer Fortbildungsveranstaltung der Wiener Ärztekammer. Bei diesen Allergien handelt es sich um überschießende Immunreaktionen, die durch bestimmte Antikörper - Immunglobulin E (IgE) - vermittelt werden. Univ.-Prof. Dr. Dietrich Kraft von der Abteilung für Immunpathologie am Institut für Pathophysiologie der Universität Wien: "Die Allergien werden in den Industrieländern mit hohem Hygiene-Standard in ständig steigender Inzidenz (Häufigkeit des Neuauftretens, Anm.) beobachtet." Massiver Anstieg In einigem zeitlichen Abstand auch in Österreich wiederholte Reihenuntersuchungen belegen laut den Unterlagen des international bekannten Allergie-Forscher folgendes Faktum: "Waren in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts etwa ein Prozent der Bevölkerung an Pollenallergien erkrankt, so werden jetzt in neueren und neuesten epidemiologischen Studien Werte um 15 Prozent ermittelt." Es sind allerdings längst nicht allein die Blütenpollen von Bäumen, Gräsern, Getreide und Kräutern, welche den Allergikern das Leben schwer machen. Kraft: "Rechnet man die durch (Haus-)Staubmilben, Tierhaare, Schimmelpilze, Küchenschaben und andere Allergene ausgelösten allergischen Erkrankungen hinzu, so ergibt dies etwa 25 Prozent Erkrankte innerhalb unserer Population." Ist die Hygiene an allem schuld? Die für den enormen Anstieg der Häufigkeit von Allergien am ehesten in Frage kommende Erklärung liegt in der "Hygiene-Hypothese". Der Wiener Experte: "Als Erklärung für dieses Phänomen lässt sich gegenwärtig am besten das Argument anführen, dass wir zu sauber leben." Vor allem weniger Kontakt mit Parasiten und Bakterien kommt hier in Frage. Das Immunsystem sei "unterbeschäftigt" und reagiere auf "unschuldige Substanzen" zu stark mit der vermehrten Bildung von IgE-Antikörpern. Zur Behandlung An sich sind Allergien gut behandelbar. Dazu dienen Arzneimittel zur Symptomlinderung (Cortison, Antihistaminika etc.), es gibt aber mit der Spezifischen Immuntherapie (SIT, Hyposensibilisierung, "Allergie-Impfung" auch für zahlreiche Allergien eine Behandlungsform, die das Übel an der Wurzel packt, indem es das Immunsystem des Betroffenen wieder zu einer Toleranz gegenüber dem Allergen verhilft. Voraussetzung einer zielgerichteten Behandlung ist die genaue Diagnose einer Allergie. Sie umfasst eine allgemeine körperliche Untersuchung, die Analyse einer Blutprobe auf IgE bzw. die Art der Allergene, auf die der Betroffene anspricht sowie einen Hauttest zur genaueren Bestimmung der Allergieform. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass eine optimale Behandlung zum Beispiel das Entstehen eines allergischen Asthmas verhüten kann. Impfung Bei der "Allergie-Impfung" geht es darum, das Immunsystem des Patienten wieder so zu modulieren, dass es nicht mehr so "rabiat" auf das jeweilige Allergen reagiert. Die Therapie ist allerdings langwierig. Je enger das Spektrum der Allergene ist, auf die der Betroffene anspricht, desto wirksamer ist die Spezifische Immuntherapie. Univ.-Prof. Dr. Herwig Ebner vom Allergieambulatorium Reumannplatz in Wien: "Dem Patienten werden dabei Extrakte subkutan verabreicht. Beginnend mit einer hohen Verdünnung wird die Allergendosis zunächst wöchentlich bis zu einer Erhaltungsdosis gesteigert, die fünf bis 20 Mikrogramm (Millionstel Gramm, Anm.) Allergen pro Injektion liegt. Zum Vergleich: Das ist wesentlich mehr als ein Pollenallergiker während der gesamten Blüteperiode an Allergen inhalieren kann. Die bei Insektengiftallergien verabreichte Erhaltungsdosis entspricht zwei Stichen. Wenn diese Dosis problemlos vertragen wird, muss sie über Jahre - im Normalfall drei Jahre - im monatlichen Abstand verabreicht werden." Bei Pollenallergikern wird währen der "Saison" die Dosis verringert. Erfolgsquoten Die Erfolgsraten liegen bei bis zu 90 Prozent. Ein Beispiel dafür sind Insektengiftallergien, die immer wieder - wenn auch selten - Todesfälle verursachen. Univ.-Doz. Dr. Reinhart Jarisch vom Floridsdorfer Allergiezentrum in Wien in seinen Unterlagen: "Die Spezifische Immuntherapie mit Insektengift ist eine sichere und in ihrer Wirksamkeit gut belegte Methode. Die Erfolgsquote der SIT liegt bei der Wespengiftallergie bei über 90 Prozent, bie der Bienengiftallergie bei etwa 80 Prozent. Besonders hoch ist die Erfolgsquote bei Kindern." (APA)