Mensch
Tschernobyl und die Folgen
Neue Studie stellt deutlich erhöhte Säuglingssterblichkeit fest - von der Ukraine bis nach Deutschland
München - 16 Jahre nach der Katastrophe in dem
Atomkraftwerk Tschernobyl geht eine neue Studie von einer deutlich
erhöhten Säuglingssterblichkeit nach dem bisher größten Atomunfall
aus. Die Sterblichkeitsrate sei nach dem Unfall vom 26. April 1986 in
Deutschland, Polen, Weißrussland und der Ukraine signifikant
gestiegen, fand das Umweltinstitut München in einer Untersuchung
heraus. Das bayerische Umweltministerium bezeichnete die am Montag
veröffentlichten Ergebnisse der Studie als falsch.Beispiel Bayern
In Bayern zeige sich zudem ein Zusammenhang zwischen der
Fehlbildungsrate von Kindern und der Belastung durch die in der
Atmosphäre verteilten radioaktiven Partikel, erklärte das private
Umweltinstitut mit Blick auf den Jahrestag des Unfalls in dem
ukrainischen Reaktor. Von der Verseuchung mit strahlenden Partikeln
sei nur Südbayern betroffen. "Hier gibt es zum Beispiel noch immer
Pilze, deren Radioaktivität weit über dem zulässigen Grenzwert
liegt", sagte eine Sprecherin des Institutes.
Die höchsten Sterblichkeitsraten waren nach Angaben des Instituts
sieben Monate nach der stärksten Belastung mit dem radioaktiven
Cäsium festzustellen. Der Fötus sei in den ersten drei Monaten der
Schwangerschaft besonders empfindlich, hieß es zur Erklärung. Cäsium
entsteht bei der Kernspaltung. In den Körper gelangte der Stoff nach
der Katastrophe über Lebensmittel wie Milch, Fleisch und Getreide.
Schwellendosen
Nach bisheriger Lehrmeinung dürfe es direkte Strahlenschäden wie
den Säuglingstod unterhalb einer bestimmten Strahlenhöhe nicht geben,
erklärte der Autor der Studie, Alfred Körblein. Auf Grund der neuen
Erkenntnisse müsse die Existenz einer solchen Schwellendosis
allerdings in Frage gestellt werden. Auch kleinste Strahlendosen
könnten beim Fötus Gesundheitsschäden bewirken.
Die Katastrophe von Tschernobyl gilt als der bisher schwerste
Unfall bei der zivilen Nutzung der Atomenergie. Bedienungsfehler und
Konstruktionsmängel lösten in der Nacht zum 26. April 1986 den ersten
Super-Gau in einem Atomkraftwerk aus. Es wurde 100 bis 200 Mal mehr
Strahlung freigesetzt als bei den Atombomben von Hiroshima und
Nagasaki. Durch den Wind wurden frei gesetzte radioaktive Stoffe in
ganz Europa verteilt. (APA/dpa)