Wien - In Wien, Straßburg und Stockholm endete erfolgreich die weltweit erste klinische Erprobung eines Gentech-Impfstoffs gegen die lästige Birkenpollenallergie. Vor einem Jahr hatte der letzte der 120 Probanden die letzte Impfung mit zwei gentechnisch entschärften Molekülen erhalten. In ihrer natürlichen Form lassen diese Stoffe harmlose Birkenpollenkörner für Millionen Menschen zu gefürchteten Monstern werden. Nun liegen die Ergebnisse vor: "Sehr zufrieden stellend", freut sich der Initiator des Projekts, der Wiener Pathophysiologe und Immunologe Rudolf Valenta. Nach dem "Etappensieg" über die Birkenpollen will er mit seinem Team am Institut für Pathophysiologie zu einem "Rundumschlag gegen fast alle Allergien ausholen: Therapie und Diagnose von Gräser-, Milben-, Tierhaar- und Nahrungsmittelallergien sollen revolutioniert und ein Verfahren, die ganze Bevölkerung prophylaktisch durchzuimpfen, entwickelt werden. Reizloses Molekül Für die "rekombinante, also gentechnische Immuntherapie" filtern die Forscher heraus, welche einzelnen Moleküle des Allergieerregers für die heftige Immunreaktion des Patienten verantwortlich sind. Dann bauen sie diese im Labor in so veränderter Form nach, dass das Immunsystem nicht mehr allergisch darauf reagiert. In ein bis zwei aufeinander folgenden Jahren erhält der Patient vor Beginn der Pollensaison je acht hoch dosierte Injektionen mit dem puren Allergen und entwickelt auf diese Weise Toleranz. Die neue Methode, so Valenta, sei "treffsicherer, wirksamer und nebenwirkungsärmer als herkömmliche, bei denen Extrakte der gesamten, noch aktiven allergieverdächtigen Substanz injiziert werden". Um die neue Technologie gegen "die Trägheit mancher Pharmakonzerne" durchzusetzen, die "lieber am traditionellen Verfahren festhalten, als in Weiterentwicklungen zu investieren", hat Valenta innovative Partnerfirmen in Wien, Schweden, Deutschland und Frankreich gewonnen. Auch der Wissenschaftsfonds (FWF) erkannte das Potenzial der Idee und bewilligte nach Kleinprojekten einen START-Preis von umgerechnet rund 1,1 Millionen Euro. Seit kurzem koordiniert Valenta den FWF-Spezialforschungsbereich Allergien. Zusätzliche Impulse erhoffen sich die Allergieforscher von ihrer Eingliederung ins neu gegründete Centrum für Molekulare Medizin (CeMM). Damit führt die Akademie der Wissenschaften das gemeinsam vom Wissenschaftsministerium und der Stadt Wien initiierte "Interdisziplinäre Kooperationsprojekt" fort. Das Ziel des CeMM: am AKH eine Brücke zu schlagen zwischen medizinischer Grundlagen- und angewandter Forschung im Bereich Diagnostika und Therapeutika. Die ungewohnte Zusammenarbeit der Klinikabteilungen verlief bisher besonders in der Immunologie sehr erfolgreich. So auch für Valentas Team, etwa bei der Klassifizierung von Allergenen. Auf diese Weise vernetzt und eingebettet hat der Allergologe gute Aussichten, seine nächsten Ziele zu erreichen. Parallel zur Totalimmunisierung gegen Allergien forscht er an den Grundlagen der Allergenität: "Welche Elemente sind notwendig, um eine Allergieantwort auszulösen?" Wie ein Mechaniker versucht er, die Abläufe zu verstehen, auf andere Bereiche zu übertragen und dort, wo es möglich ist, Bremskeile zu legen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23. 4. 2002)