Mensch
Gentherapie: Immundefekt bei Buben korrigiert
Fehlendes Gen in Blut-Stammzellen eingefügt
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Boston/Paris - Zumindest in einzelnen Fällen klinischer
Studien und bei seltenen Krankheiten kommt die Gentherapie offenbar
in Fahrt: Französische Wissenschafter haben Babys zum größten Teil
erfolgreich und ohne erhebliche Nebenwirkungen von einem genetisch
bedingten schweren Immundefekt geheilt. Sie fügten das den
Betroffenen fehlende Gen in von dem jeweiligen Buben gewonnene
Blut-Stammzellen ein. Dr. Marina Cavazzana-Calvo vom Kinderspital Necker in Paris und
die Mitarbeiter des Teams berichten von den Erfolgen in der neuesten
Ausgabe der angesehenen US-Medizin-Fachzeitschrift "New England
Journal of Medicine" (18. April). Die Wissenschafter suchten nach
Wegen, die an das X-Chromosom gebundene schwere Immunschwäche
(X-linked combined immundeficiency) zu korrigieren, welche die
häufigste derartige Erkrankung darstellt und ausschließlich Buben
betrifft.
Bei der genetisch bedingten Erkrankung fehlt den Betroffenen an
fünf für das körpereigene Abwehrsystem wichtigen Rezeptoren von
Immunbotenstoffen mit der so genannten "yc-Kette" ein entscheidender
Bestandteil. Diese Rezeptoren sind wichtig für die Entwicklung der
T-Lymphozyten und der Natural Killer-Zellen. Beide Zelltypen werden
dann vom Immunsystem nicht gebildet.
Die Wissenschafter: "Diese schwere kombinierte Immunschwäche ist
im ersten Lebensjahr tödlich - durch wiederkehrende Infekte. Außer es
erfolgt eine Transplantation von Blut-Stammzellen
(Knochenmarktransplantation, Anm.)." Doch solche Behandlungen mit
Spender-Knochenmark sind noch immer riskant. Im Falle einer solchen
Immunschwäche benötigten die Behandelten trotzdem noch lebenslang
regelmäßige Infusionen mit Antikörpern (Immunglobuline).
Gen-Fähre
Die Forscher wandten sich deshalb der Gentherapie zu. Sie gewannen
aus dem Knochenmark der fünf Kinder im Alter von einem bis elf
Monaten Blut-Stammzellen (CD34-positive Zellen) und fügten in sie mit
einem künstliche defekt gemachten Retrovirus als Gen-Fähren im Labor
die fehlenden Gene für die "yc-Kette" ein. Dann bekamen die Buben die
veränderten Stammzellen per Infusion zurück.
Die Wissenschafter: "Es gab keine Nebenwirkungen. Bei vier der
fünf Patienten tauchten binnen vier Monaten genetisch veränderte T-
und Natural Killer-Zellen im Blut auf. Zahl und Arten der T-Zellen,
von deren Rezeptoren sowie die Fähigkeit, sich als Antwort auf
Immunisierungen zu vermehren, waren bis zu zwei Jahre nach der
Behandlung normal. (...) Die Korrektur der Immunschwäche ließ bereits
vorhandene Infektionen verschwinden und ermöglichte den Patienten ein
normales Leben."
Auch die nach den sonst üblichen Knochenmarktransplantationen
weiterhin notwendigen Immunglobulin-Infusionen fielen weg. Bei einem
der Kinder allerdings kam es zu keiner Korrektur der Immunschwäche,
obwohl Blutzellen Anzeichen dafür zeigten, dass auch bei ihnen eine
genetische Veränderung in Folge der Gentherapie stattgefunden hatte. (APA)