Unternehmen
Verkürzte "Aufsichtsratskultur" in Österreich
Boston Consulting fordert Beratungstätigkeit für Vorstand
Wien - Eine Wandlung der Rolle des Unternehmensorgans
Aufsichtsrat hält der internationale Unternehmensberater Boston
Consulting Group (BCG) im Zuge der Diskussion um die Einführung eines
österreichischen Corporate Governance-Kodex für notwendig. "Wir
müssen eine Aufsichtsratskultur aufbauen", forderte
BCG-Geschäftsführerin Antonella Mei-Pochtler am Dienstag in einem
Pressegespräch. Der Aufsichtsrat sollte sich von einer reinen
Interessensvertretung der Aktionäre zu einer "vorwärtsgerichteten
Beratungsfunktion gegenüber dem Vorstand" wandeln. Die geplante Einführung eines Corporate Governance-Kodex in
Österreich interpretiert die BCG-Expertinals ersten Schritt in die
richtige Richtung. "Eine Corporate Governance-Diskussion in
Österreich war überfällig, weil großer Nachholbedarf besteht", so
Mei-Pochtler. Entscheidend sei aber, dass dem Kodex auch konkrete
Taten folgen. Denn um den vollen Wert des Aufsichtsrates entfalten
lassen zu können, müssen laut der BCG-Geschäftsführerin Begriffe wie
"Coaching" und "Guidance" zu gelebten Aufgaben des Organs neben
Kontrolle und Vertretung werden.
Entflechtung personeller Vernetzung
Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, fordert
Mei-Pochtler eine Entflechtung der personellen Vernetzung innerhalb
der "Österreich AG", was die Unabhängigkeit und Objektivität der
Funktionsträger stärken sollte. Aus Zeiten der Kreditfinanzierung
seien Vorstände heimischer Banken stark in den Aufsichtsräten der
Industrie vertreten. Allerdings gehe der Trend zusehends in Richtung
Kapitalmarktfinanzierung, was eine Beteiligung der Banken "in diesem
Ausmaß" nicht sinnvoll erscheinen lasse. "Dieser Umstand kann
Abhängigkeiten und Interessenskonflikte schaffen", so Mei-Pochtler.
Als problematisch empfindet Mei-Pochtler auch die im
internationalen Vergleich üppige personelle Stärke heimischer
Aufsichtsräte, anstatt die geringe Durchschnittsgröße heimischer
Unternehmen für schlanke Organe zu nutzen. "Wir könnten es uns
leisten, in der optimalen Teamgröße von sechs bis acht Personen zu
arbeiten", streicht Mei-Pochtler heraus. Zur Zeit leistet sich
Österreich laut BCG im Schnitt 13 Aufsichtsräte pro AG, bei Banken
steigt dieser Wert sogar auf 22 Aufsichtsräte. "Mit solchen großen
Boards kann nicht mehr effizient und effektiv gearbeitet werden", ist
der Münchener BCG-Senior Partner Peter Strüven überzeugt.
Fokussierung der Mandatstätigkeit
Weiters fordert Strüven eine Fokussierung der Mandatstätigkeit,
denn jede Aufsichtsratsfunktion benötige Zeit. In Österreich gebe es
unter den börsennotierten Unternehmen Aufsichtsräte mit bis zu sieben
Mandaten. Strüven empfiehlt entweder neben einem Vorstandsposten bloß
zwei Aufsichtsratsmandate anzunehmen oder als "professioneller
Aufsichtsrat" für fünf bis sechs Unternehmen zu arbeiten.
Die BCG-Experten plädieren generell für eine "stärkere
Qualifikation" der Aufsichtsräte und für eine regelmäßige Bewertung
ihrer Performance. Besonders Unternehmen mit einem hohen Grad an
Internationalität sollten bewusst auch Vertreter aus dem Ausland in
ihren Aufsichtsrat einbeziehen, um deren Erfahrung nutzen zu können.
Diesbezüglich sieht die BCG Österreich aber erst am Anfang. (APA)