Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Himmelreich" - die reinen Kinderseelen haben mit dem Transfer ins christliche Jenseits kein Problem. Wie es sich mit jenen schwarzen Seelen in schwarzen Kutten verhält, die sich an Kindern vergehen, sagt Jesus (bei Matthäus) nicht. Aber immerhin, seit kurzem fühlt sich sein irdischer Stellvertreter dafür zuständig: Der Papst hat sich persönlich in den Kardinals-Gipfel zum Umgang mit dem Kindesmissbrauch durch Kleriker eingeschaltet. Und er hat scharfe Worte der Verurteilung gefunden: "Das ist eine entsetzliche Sünde vor den Augen Gottes."Andererseits zeugen die Ausführungen des Pontifex - "sexueller Missbrauch wird zu Recht als Verbrechen angesehen" - von einem durchaus verschobenen Problembewusstsein der Kirchenoberen, das den aktuellen Skandal noch einmal auf ein anderes Niveau hebt. Roma locuta, causa finita - das mag für Glaubensfragen gelten. In laizistischen Rechtsstaaten jedoch hat kein Papst zu erklären, ob ein Sachverhalt zu Recht oder Unrecht ein Verbrechen ist. Denn wo immer aus diesem Geist die Grenzen der Zuständigkeit zwischen zuweilen recht biegsamen klerikalen Moralvorstellungen und säkularen Strafbestimmungen diffus gemacht werden, kommt es zu Vorkommnissen wie in der US-Kirche: Ein pädophiler Priester kann nicht nur über 30 Jahre unbehelligt seinen Neigungen nachgehen, er wird auch noch jahrelang von seinem Kardinal dabei gedeckt. Kein Zweifel: Es ist gut, wenn die Kirche sich jetzt Richtlinien im Umgang mit Pädophilen geben will. Noch besser aber wären Richtlinien für die Kirchenoberen im Umgang mit weltlichem Recht. Und am besten wäre es, verließe sich die Kirche schlicht und ohne Umschweife auf das Strafgesetz. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.04.2002)