Wien - Es ist verblüffend, was man alles hört, wenn man einmal ausnahmsweise hinhört. Und zwar abgesehen von den Selbstverständlichkeiten wie dem Kollegen, der sich an seiner Arbeit begeistert ("großartig, einfach großartig!") oder diesen ewigen Telefonaten im Zimmer ("wie bitte . . . ach nein, ich meinte nur . . . hallo? . . . mhm . . . und was planen Sie da, weil Sie . . . mhm . . . aha. . . ja . . . mhm . . ."). Manchmal prasselt diese "mhm-aha"-Endlosschleife gleich von drei verschiedenen Telefonierern gleichzeitig auf einen herein.

Nein, es ist dieser Grundpegel, den man sonst überhaupt nicht wahrnimmt. Das Surren der Computerlüftung. Das Klappern der Tastatur. Und was ist das? Tickt da etwas? Eine Uhr oder was? Keine Ahnung, woher das kommt. Tür auf - Tür zu, Stöckelschuhe klappern. Das ist der Alltag, das ständige Rumoren, Klappern, Plappern. Das hört man sonst nie, weil man sonst dem Wahnsinn verfallen würde.

Und dann ist da dieser "Tag des Lärms" - als ob man dafür einen besonderen Tag bräuchte. Lärm ist schließlich Alltag. Aber man solle wenigstens eine Minute lang innehalten und zwar von 14.15 bis 14.16 Uhr, schlugen die Initiatoren vor - der Österreichische Arbeitsring für Lärmbekämpfung (ÖAL) und die Wiener Umweltschutzabteilung MA 22.

Also einmal etwas Besonderes: Wir gehen hinunter und spitzen sie anlässlich der Lärmtagsminute dort, die Ohren. Hier das Protokoll eines Minuten-Lärms:

Die Lärm-Minute

"Ding" - die Kirchenglocke. Schlägt die tatsächlich jede Viertelstunde? Ein lautes Dröhnen - der Straßenreinigungsdienst fährt mit seinem Fiaker-Kacke-Quirler vorbei. Dazu ständig Autos - eh klar. Aber sie klingen nass (die Reifen im Regenwasser). Ein kreischendes Kind. Passanten-Sprachfetzen: ". . . ein Kaffee oder irgendsowas . . ." Zwei Junghandwerker in der Walz-Tracht: ". . . jetz' isch eh nix mehr anzufange' . . ." Dazu ist noch zweimal Räuspern, einmal Rotzen zu hören. Das kann nicht alles gewesen sein. Genauer hinhören: der Wind in den Ohren. Und von oben her das Piepsen eines Vogels. Klingt irgendwie jämmerlich.

So. Das reicht. Jetzt hören wir wieder weg. Und schrecken erst wieder beim nächsten Telefonat auf. Oder bei der nächsten Autoenthusiasmierung des Kollegen: "Super! Ein Traum!"(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.04.2002)