Ihr alter Welthit "Tainted Love" rockt noch heute jede Studentenparty. Jetzt meldet sich die wichtigste Popband der frühen 80er-Jahre zurück. Soft Cell, die großen alten Tragöden der New Wave, gastieren live in Wien.
Von Christian Schachinger
Wien - "Got my lawyer in the bathroom, got a hooker in my bed / I'm taking medication for the voices in my head. I'm a divided soul ..." Eins-a-Texte wie jenen zum neuen Stück
Divided Soul
kann der Mann noch immer schreiben, wenn er will. Marc Almond, Discokugel-Tragöde und Hauptvertreter der eigens für ihn erfundenen Kunstrichtung "nouveau neurosis" unter besonderer Berücksichtigung des Themenkreises "Häufig wechselnde Sexualpartner bedingen angefressene Abschiedslieder", meldet sich nach einer wechselvollen Solokarriere wieder mit seinem alten Partner Dave Ball zurück.
Nach 17-jähriger Auszeit arbeiten Soft Cell schon seit geraumer Zeit an einem neuen Album, das erste seit 1984. Es soll im Herbst erscheinen. Als Vorboten kann man derzeit schon zwei neue Lieder,
Divided Soul
und
Somebody, Somewhere, Sometime
, auf der CD
The Very Best Of
hören.
Neben euphorischen Kritiken bezüglich ihrer ersten Comeback-Shows daheim in Großbritannien belegt das neue Material vor allem auch eines: Man muss keine Angst davor haben, dass es sich hier um eine miese Geldmacherei von alternden 80er-Jahre-Berühmtheiten handelt, wie man sie aus Umfeld von
Wickie, Slime & Paiper
kennt.
Offensichtlich konnten sich Soft Cell ihre Energie über all die Jahre herüberretten. Und sie haben es auch nicht für nötig befunden, beim heute jungen Menschen mit einem üblen Trick punkten zu wollen. Soft Cell fetten ihre alten, nicht ganz kindergerechten Synthie-Pop-Songs wie den einstigen Welthit
Tainted Love
oder
Sex Dwarf
("Sex dwarf, isn't it nice, luring disco dollies to a life of vice") eben nicht mit DJ-Ötzi-Beats oder "eleganten" House-Rhythmen auf, um vor der Rente noch einmal abzukassieren.
Non-Stop Erotic
Dave Ball, der unscheinbare Mann hinter den Maschinen, könnte das locker; mit seinem Dancefloor-Projekt The Grid gelangen ihm in den 90er-Jahren einige Chartserfolge.
Soft Cell belassen lieber den stilprägenden elektronischen Minimalismus ihres 81er-Debüts
Non-Stop Erotic Cabaret
wie auch des allerersten Remix-Albums in der Geschichte,
Non-Stop Ecstatic Dancing
aus 1982, und die anschließenden Alben
The Art Of Falling Apart
und
This Last Night In Sodom
einfach in ihrer sperrigen und ungelenken Wucht - die dann mit weit ausladenden, sehnsüchtigen Melodien gekoppelt wird. Dieser Sound ist dank Techno-Stars wie DJ Hell und dem seit Jahren florierenden Electro-Revival ohnehin angesagt wie noch nie.
Soft Cell haben neben zweien der traurigsten Lieder aller Zeiten,
Torch
und
Say Hello, Wave Goodbye
("You and I, it had to be the standing joke of the year . . .") nicht nur einige Klassiker über menschliche Grundlagenprobleme geschrieben: Zum Beispiel über Sex mit übersäuertem Magen auf dem Rücksitz eines Autos, wo man dann bemerkt, dass man kein Kondom dabei hat und sich also exakt jenen Tripper von einem gelegentlichen Sexualpartner zurückholt, den man ihm gerade vor ein paar Wochen erfolgreich angehängt hat (
It' A Mugs Game
).
Soft Cell sagten für uns alle auch schon vor über 20 Jahren Ja zum Kater: "Sunday morning going slow, I'm talking to the radio / Clothes and records on the floor, the memories of the night before / Out in club land having fun, and now I'm hiding from the sun ... in bedsit land my only home".
Pilgern Sie in diese Messe. Die Kirche der letzten Tage ist in der Stadt. Jede Party könnte schließlich die letzte sein.
Soft Cell live in Wien:
Planet Music,
1200 Wien, Adalbert-Stifter-Str. 73. Tel.: (01) 332 46 410,
Sa., 27. 4., 20 Uhr
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25. 4. 2002)