Netzpolitik
30 britische Wahlkreise bieten "E-Wahl" an
Kommunalwahlen "auf dem Sofa" - Politiker erhoffen sich regere Beteiligung
Die Briten haben's gut. Sie können jetzt online
wählen, oder per Handy. Zum Beispiel abends, während die Nudeln
kochen, oder am Nachmittag, wenn sie gerade Tee trinken. Rund 3,5
Millionen Pfund (rund 5,7 Millionen Euro) gibt die britische
Regierung aus, um die Wähler in 30 ausgewählten Wahlkreisen an die
Urnen zu locken - oder besser: an den Rechner. Ein Terminal steht
sogar im Supermarkt.Maßnahmen gegen geringe Wahlbeteiligung
Am 2. Mai finden in Großbritannien die Kommunalwahlen statt, und
die Gemeinden haben allen Grund, um ihre Wähler zu buhlen. Noch nie
seit 1918 war die Wahlbeteiligung so gering wie bei den
Unterhaus-Wahlen im vergangenen Sommer. Sie blieb unter 60 Prozent.
Anderswo in Europa ist es ähnlich.
St. Alban ist Zentrum der E-Wahl
St. Alban liegt im Speckgürtel von London, es ist eine wohlhabende
kleine Stadt. Hier befindet sich die Zentrale der "E-Wahl", die
erfunden wurde, um den Wählern entgegenzukommen. So weit
entgegenzukommen sogar, dass die Wahl in St. Albans auf das
Wochenende vom 25. bis 27. April vorverlegt wurde - weil am Samstag
vielleicht mehr Leute wählen. Julian Daly ist der Ortsvorsitzende der
Konservativen, und er ist begeistert von diesem Projekt:
"Wahrscheinlich gibt es nirgendwo sonst im Land so einen Ehrgeiz wie
hier, per Telefon oder Computer zu wählen."
Jeder Wähler bekommt zwei Geheimnummer
Die Einwohner der kleinen Stadt werden bei der Wahl als
Versuchskaninchen herhalten. Unter anderem wird sich dann zeigen, ob
das Verfahren so sicher ist, wie jetzt alle beteuern. Jeder Wähler
bekommt zwei Geheimnummern: eine persönliche Identifikationsnummer
und eine individuelle Wahlnummer, die Missbrauch ausschließen soll.
Der Software-Gigant Oracle legt für das Programm seine Hand ins
Feuer. "So wie früher ins Wahllokal zu gehen und ein Kreuz auf einem
Stück Papier zu machen, das lässt sich immer weniger mit dem modernen
Leben vereinbaren", sagt Oracle-Sprecher Andy Smith.
Computer mit Touchscreen-Oberfläche
Mit dem Papier ist es zumindest in St. Alban vorerst vorbei. Wenn
man schon ins Wahllokal geht, dann erwartet einen dort ein moderner
Computer mit Touchscreen-Oberfläche, auf dem man nur noch leicht
drauftippen muss. So einer wie im Supermarkt. Dreda Gordon von der
Stadtverwaltung ist sich sicher, dass man das Problem der geringen
Wahlbeteiligung mit der elektronischen Wahl überall in den Griff
bekäme - "nicht nur in unserem Land".
Zumindest jüngeren Leuten, die mit dem Computer ganz
selbstverständlich umgehen, dürfte das neue Wahlsystem
entgegenkommen. In einer schicken Bar in St. Alban sitzt Karen
O'Reilly, eine 23-jährige Personalberaterin. Sie sagt, dass sie
bisher nicht zur Wahl ging, weil ihr der Weg zu lästig war. "Hier
kommen die Leute abends spät von der Arbeit nach Hause. Da will man
dann nur noch seine Ruhe haben." Es sieht aus, als sei die "E-Wahl"
wie für sie gemacht. Julian Dely ist zufrieden: "Mit unserem
Wahl-Modell kann sich niemand mehr herausreden, dass Wählen zu
umständlich ist."(APA/Peter Kononczuk/AFP)