Österreich
"Wer schlägt, muss gehen"
13.835 Wegweisungen und Rückkehrverbote in fünf Jahren - Bilanz nach fünf Jahren Gewaltschutzgesetz
Das Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie
ist vor fünf Jahren in Kraft getreten. Vom 1. Mai 1997 bis Ende 2001
wurde das "Wegweiserecht" von der österreichischen Polizei 13.835 Mal
angewendet. "Das Gesetz soll wie eine Rote Karte wirken: Früher
musste der gefoulte Spieler das Feld verlassen, jetzt haben die Täter
zu gehen", sagte am Donnerstag bei einer Pressekonferenz Rosa Logar,
Geschäftsführerin der Interventionsstelle Wien. Diese Einrichtung
ergänzt die Arbeit der Polizei mit sozialen Begleitmaßnahmen: Opfer
erhalten Beratung und Prozessbegleitung.Betroffen ist jede fünfte bis zehnte Frau
"Jede fünfte bis zehnte Frau ist von Gewalt in der Familie
betroffen", berichtete Logar. "Die Gefahr ist bei Trennungen und
Scheidungen am höchsten. Es ist daher wichtig, Schutzmaßnahmen
anzubieten." Mit dem jungen Gesetz soll die Gewaltspirale
unterbrochen werden - bisher mit Erfolg. Die Beamten können Gefährder
aus der Wohnung weisen und ihnen für zehn Tage die Rückkehr
verbieten. Einen längerfristigen Schutz bis zu drei Monaten
garantieren einstweilige Verfügungen, zu beantragen bei Gericht.
"Wer schlägt, muss gehen"
"Das Familiengericht kann letztendlich bestimmen, dass der Täter
bis zum Abschluss des Scheidungsverfahrens die Wohnung nicht mehr
betreten darf", erklärte Familienrichterin Gabriela Thoma-Twaroch.
Sie lobte das Gesetz als "sinnvolle Kooperation" zwischen Exekutive
und Justiz: "Die Polizei kann am schnellsten eingreifen und jemanden
aus der Wohnung weisen. Dem Richter steht die Dokumentation der
Beamten zur Verfügung, er kann meist bereits nach Anhörung des Opfers
entscheiden." Die Maßnahmen würden greifen, betonte Thoma-Twaroch,
"die Täter halten sich an die Weisungen".
Die Schwelle der Wohnung überschreiten
Mit dem Gesetz sei es gelungen, Exektivbeamte zu ermutigen, "die
Schwelle der Wohnungen zu überschreiten", führte Albin Dearing,
Vorsitzender des Präventionsbeirates im Innenministerium, aus.
Allerdings gibt es einen Unterschied zwischen Polizei und
Gendarmerie, ergänzte Birgitt Haller vom Institut für
Konfliktforschung in Wien. Die Anonymität der Stadt mache den Beamten
ein Einschreiten leichter. Generelles Fazit: Die Zusammenarbeit
zwischen Exekutive, Gerichten und sozialen Stellen funktioniert gut.
Ausbau des Netzes von Interventionsstellen
Trotzdem gibt es Verbesserungsvorschläge wie den Wunsch nach
Ausbau des Netzes von Interventionsstellen. Im vergangenen Jahr
wurden 5.000 Frauen in ganz Österreich betreut. Bei schwerer Gewalt
reiche das Betretungsverbot nicht aus, die Verhängung der U-Haft wäre
in solchen Fällen notwendig, hieß es. Ebenso sollte der
Wirkungsbereich der einstweiligen Verfügung ausgeweitet werden.
Sobald zum Beispiel die Scheidung vollzogen ist, endet derzeit der
Schutz für die Betroffenen. In einer besonders prekären Situation
befinden sich Migrantinnen: Sie sind trotz Gewaltschutzgesetz
gezwungen, beim Misshandler zu bleiben, wenn sie lediglich ein
Familienvisum haben. (APA)