Staat & Justiz
"Desavouierungs- Versuch wird nicht mehr hingenommen"
Richter und Staatsanwälte kritisieren Böhmdorfer und drohen mit Einstellung der Gespräche
Wien - Das Vertrauen der Richter und Staatsanwälte in
Justizminister Dieter Böhmdorfer (F) ist "schwer erschüttert". Sie
werfen ihm Gesprächsverweigerung und eine "demokratiepolitisch
bedenkliche Missachtung der gewählten Vertreter der dritten
Staatsgewalt" vor. In einer Sitzung der Richtervereinigung und der
Bundessektion Richter und Staatsanwälte in der GÖD gestern,
Donnerstag, wurde als Reaktion auf Böhmdorfers Verhalten beschlossen:
Die Standesvertreter werden sich nicht mehr auf Gespräche einlassen,
die vom Minister "zu spät begonnen, scheinhalber geführt und
entstellend bewertet werden".Seit Amtsantritt kein gutes Verhältnis
Das Verhältnis zwischen den Standesvertretungen der Richter und
Staatsanwälte und Böhmdorfer ist seit Amtsantritt kein gutes. Zuletzt
hat Böhmdorfer die Standesvertreter damit "brüskiert", dass er seinen
Plan, den Jugendgerichtshof zu schließen, ohne vorherige Gespräche in
der Justiz im Ministerrat absegnen ließ. In der "Presse" begründete
er dies auch noch damit, dass es sich "Die Richter zu eigen gemacht
haben, sofort an die Öffentlichkeit zu gehen und diese zu verwirren."
Desavouierungsversuch wird nicht mehr hingenommen
"Der Versuch, die Richtervereinigung und die Bundessektion zu
desavouieren, wird von den Richtern und Richterinnen und
Staatsanwälten und Staatsanwältinnen nicht mehr hingenommen. Sie
sehen darin einen ernsthaften Versuch, die Abhängigkeit der dritten
Staatsgewalt vom Bundesminister für Justiz zu vergrößern", wird in
einem von Richter-Präsidentin Barbara Helige und Bundessektions-Chef
Klaus Schröder unterzeichneten Schreiben betont, das am Freitag
Böhmdorfer übermittelt wurde.
"Brüskiert Gerichtsbarkeit"
"Der Bundesminister für Justiz brüskiert durch seinen Umgang mit
der Gerichtsbarkeit und den Standesvertretungen der Richter und
Staatsanwälte", heißt es darin. In der Öffentlichkeit stelle er
"vermeintliche" Verhandlungsbereitschaft "zur Schau". "Tatsächlich
betreibt er in einem noch nie da gewesenen Ausmaß
Gesprächsverweigerung." Böhmdorfer präsentiere wichtige Vorhaben wie
JGH-Auflösung, Gerichtsorganisations-Änderung oder
Planstellenbewirtschaft für die StPO-Reform "überfallsartig", biete
erst danach Gespräche an - und die würden "nur mehr dazu dienen, über
unabänderliche Pläne zu berichten und bei unwesentlichen Dingen
Gesprächsbereitschaft vorzutäuschen".
Kritische Auseinandersetzungen mit seinen Projekten würden als
politisch motivierte Angriffe auf seine Person dargestellt;
konstruktive Gegenvorschläge "als Verwirrung und Verunsicherung der
Bevölkerung herabgewürdigt". Außerdem werfen die Standesvertreter
Böhmdorfer vor, "einen vermeintlichen Dissenz zwischen
Standesvertretung und der Kollegenschaft konstruieren" zu wollen. Aus
"taktisch-medialer Vordergründigkeit" stelle er ihm gegenüber
geäußerte Einzelmeinungen den von breitem Konsens unter Richtern und
Staatsanwälten getragenen Stellungnahmen gegenüber.
In den Bundesländern werden weitere Versammlungen der
Standesvertretungen stattfinden - um über Böhmdorfers
Verhaltensweisen zu informieren und über die weitere Vorgangsweise zu
beraten. (APA)