Mensch
Erstmals menschliche Darmzellen kultiviert
Neue Entwicklung für chronisch entzündliche Darmerkrankungen möglich
Regensburg - Im Kampf gegen chronisch entzündliche
Darmerkrankungen können Regensburger Wissenschafter einen großen
Erfolg für sich verbuchen. Ihnen gelang es erstmalig, menschliche
Darmzellen zu kultivieren. Damit sei eine wichtige Grundlage zur
Entwicklung neuer Medikamente gegen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
geschaffen, berichteten die Experten.Darmerkrankungen
Allein in Deutschland leiden rund 300.000 Menschen an solchen
Darmerkrankungen. Die ersten Symptome treten meist im Alter zwischen
20 und 30 Jahren auf und quälen die Patienten ein ganzes Leben lang.
Die typischen Beschwerden wie schmerzhafte Durchfälle, starke
Bauchschmerzen und Fieber treten in Schüben auf. Die Betroffenen
verlieren deutlich an Gewicht, ihre Lebensqualität und
Leistungsfähigkeit sind stark beeinträchtigt.
Morbus Crohn ist bisher nicht heilbar
Bei Colitis ulcerosa handelt es sich um eine Entzündung der
inneren Schicht des Dickdarms, die dort und am Rektum Geschwüre
hervorruft. Morbus Crohn kann dagegen den ganzen Darmtrakt befallen,
am häufigsten jedoch den letzten Teil des Dünndarms. Die bisher nicht
heilbaren Leiden gehören zu den so genannten Autoimmunerkrankungen,
bei denen das Abwehrsystem gegen den eigenen Körper vorgeht. Von
zentraler Bedeutung ist nach Angaben der Wissenschafter eine Störung
des Immunsystems im Verdauungstrakt, deren Ursachen bisher noch nicht
endgültig geklärt sind.
Neue Medikamente
Für die Erforschung von Ursachen und neuen Medikamenten mussten
die Wissenschafter bisher auf Tiermodelle oder Zellen aus Darmtumoren
zurückgreifen. Doch beide Systeme hatten den Experten zufolge
gravierende Nachteile: Da Mäuse von Natur aus nie eine chronische
Darmentzündung bekämen, könnten Therapien zwar im Tiermodell sehr
erfolgreich sein, beim Menschen aber wirkungslos bleiben. Auch
Tumorzellen des Darms verhielten sich anders als normale Darmzellen.
Erforschung von Therapiemöglichkeiten
Vor diesem Hintergrund entwickelten die Forscher der
Universitätsklinik Regensburg in einem vom deutschen
Bundesforschungsministerium geförderten Projekt erstmals
Zellkultur-Modelle, die der Erforschung von Therapiemöglichkeiten
ganz neue Chancen eröffnen: Die Mediziner konnten direkt aus der
menschlichen Darmschleimhaut Epithelzellen und so genannte
Makrophagen isolieren und in Kultur vermehren.
Die Epithelzellen bilden den Experten zufolge eine Art Barriere
zur Außenwelt: Sie nehmen die Nährstoffe aus dem Inneren des Darms
auf und verhindern zugleich das Eindringen von Bakterien und
Schadstoffen. Dahinter bilden die Makrophagen als spezielle
Immunzellen eine zweite Abwehrlinie, die eine Immunreaktion auslösen
können. Daher stehen beide Zellformen im Mittelpunkt des
Forschungsinteresses.
Erfolg versprechende Behandlungsansätze
Der Erfolg der Regensburger Wissenschafter erlaubt es nach Angaben
des Ministeriums, die Wirkung von Medikamenten vor ihrem Einsatz am
Patienten künftig genauer abzuschätzen und Tierversuche überflüssig
zu machen. Erfolg versprechende Behandlungsansätze könnten nun
konsequenter verfolgt werden. Dabei rücken den Angaben zufolge auch
Wirkstoffe in den Blickpunkt, die bisher in ganz anderen
Zusammenhängen eingesetzt wurden. (APA/AP)