Wien - Die große Chance der EU-Erweiterung betonte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) am Freitag bei der Eröffnung der IX. Wachauer Journalistentage in Wien. Die Integration sei gut und wichtig, aber eine "politische Nuss", die nicht einfach zu knacken sein werde. "Wir müssen die Spielregeln ziemlich deutlich ändern, wenn wir handlungsfähig bleiben wollen", sagte Schüssel bei der vom ÖVP-nahen Friedrich Funder Institut veranstalteten Tagung vor Journalisten aus Mittel- und Osteuropa. "Wir müssen vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik mit einer Stimme sprechen", erklärte der Bundeskanzler. Diese beiden Bereiche gehörten gebündelt. "Es wäre etwa interessant", die Aufgaben von Javier Solana, EU-Beauftragter für Außen- und Sicherheitspolitik, und EU-Außenkommissar Chris Patten "in eine Person zu verschmelzen". Gleiches gelte für die Verteidigungspolitik. Die Frage, ob sich die "Verteidigungsidentität" innerhalb der EU-Strukturen oder im Rahmen der NATO entwickle, sei noch nicht entschieden. Bei den laufenden Erweiterungsverhandlungen selbst seien im heurigen Jahr die Themen Landwirtschaft und Finanzen die größten Brocken. In Sachen Benes-Dekrete gab sich Schüssel auf Fragen eines tschechischen Journalisten zurückhaltend. "Ich will nicht in den tschechischen Wahlkampf gezogen werden." Nach den Wahlen wolle man mit der neuen Regierung als "Partner" eine "offene Diskussion" über das kontroversielle Thema führen. Schüssel glaubt aber nicht, "dass die tschechische Nationalität und Souveränität auf Notstandsverordnungen von 1945 basieren sollte". Es sollte klar gestellt werden, dass im Zuge der Vertreibungen der Sudetendeutschen "Unrecht" begangen wurde, und zweitens dürften die Benes-Dekrete in der Europäischen Union keine fortdauernde diskriminierende Wirkung haben. Darüber wolle man "unter Freunden" reden. Gerald Freihofner, Präsident des Friedrich Funder Instituts, forderte im Rahmen der Eröffnung der Wachauer Journalisten, dass europäische Themen in der Journalistenausbildung stärker forciert werden. Und: "Von den Medien kann man nicht einklagen, was nicht ihre Aufgabe ist: Missionare für Europa zu sein. Aber sie sind Verstärker für gesellschaftliche Entwicklungen, für das, was sich im Kleinen anbahnt. Wir müssen jetzt nicht nur in der Politik zusammen rücken, wir müssen es auch in den Medien tun." Die europäische Erweiterung sei eine Existenzfrage für die Zukunft der Gesellschaft in Europa. Die Wachauer Journalistentage stehen in diesem Jahr unter dem Generalthema "Die EU-Erweiterung im (Zerr)Spiegel der Medien: Weniger Vorurteile, mehr Information". Rund 90 Jungjournalisten aus 11 Nationen nehmen an der Tagung teil, die Samstag und Sonntag in Dürnstein fortgesetzt wird. (APA)