Österreich
"Selbstwertgefühl steigern"
Wichtiger als strenge Sicherheitskontrollen seien Präventions-maßnahmen gegen mögliche Gewalt an Schulen, ist Wiens Stadtschulrats-präsidentin Susanne Brandsteidl überzeugt
Wien - "Es ist die landläufige Meinung, dass die Gewalt an Schulen zugenommen hat - aber es gibt keinerlei wissenschaftlich fundierte Daten, dass dem wirklich so ist", betont Wiens Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl im STANDARD-Gespräch. "Auch wenn es nun dieses tragische Ereignis von Erfurt" gebe - "ich glaube nicht, dass insgesamt das Ausmaß an Gewaltanwendungen gestiegen ist. Sondern eher, dass einfach die Sensibilität gestiegen ist, dass Gewalt inzwischen zu einem Thema wurde." Obwohl man andererseits auch wieder nicht leugnen könne, dass es Gewalt "im kleinen Bereich" gebe - und zwar in den unterschiedlichsten Ausformungen. "Und man kann sich sicher nicht zurücklehnen und einfach sagen: Es war ja nicht in Wien."Einen Ausbau von Sicherheitseinrichtungen und Sicherheitskontrollen an hiesigen Schulen hält Brandsteidl jedenfalls für nicht angebracht. "Zum Teil gibt es die ja - an jüdischen Schulen oder an der Vienna International School. Aber wenn ein Schüler das einmal wirklich will, dann kann man Gewalt kaum verhindern. Daher ist es viel sinnvoller, in der Prävention zu arbeiten." Natürlich gebe es Konflikte an Schulen - "aber es ist zum Beispiel die Frage, wie überbringt man negative Nachrichten, wie bringt man junge Menschen dazu, dass sie damit umgehen können. Am wichtigsten ist es dabei, das Selbstwertgefühl der Jugendlichen zu steigern. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Schüler es lernen, sich selbst besser einzuschätzen, um dann ein übermäßiges Frustrationsgefühl zu vermeiden. Das Ziel muss es sein, dass sich die Schüler selbst nie so klein und so hilflos fühlen, dass sie dann keinen anderen Ausweg mehr wissen und zur Waffe greifen müssen."
Schüler als Gewaltmediatoren
Eines der erfolgreichsten erprobten Präventionsprojekte an Wiener Schulen sei der Einsatz von Jugendlichen als "Gewaltmediatoren". "Dabei werden die jungen Menschen selbst gezielt vorbereitet und dann eingesetzt, um in Konfliktsituationen in der Klasse zu vermitteln und zu schlichten. Der große Vorteil dabei ist, dass die Jungen dabei viel glaubhafter sind und dass sie zum Teil besser akzeptiert werden als Erwachsene."
Die Vorfälle von Erfurt würden nun sicher zum Anlass genommen, um das Thema Gewalt an den Wiener Schulen in Projekten zu verarbeiten. Und bei bestimmten Anlässen bekommt das ohnehin eine Eigendynamik - wie etwa nach dem 11. September überall von Kindern brennende Hochhäuser gezeichnet wurden. Brandsteidl: "Das ist natürlich auch eine Frage, wie kräftig die Bilder sind, die über die Medien vermittelt werden. Jetzt gilt es, dass in jeder Schule dieser unfassliche Vorfall in geeignetem Maß bearbeitet wird." (frei/DER STANDARD, Print, 29.4.2002)