Österreich
Psychoanalytiker Richter: Amoklauf äußerst schwer zu verhindern
Nur "Störer und Schlägertypen" fallen gleich auf
Gießen - Ein Amoklauf wie in Erfurt kann nach
Einschätzung des Gießener Psychoanalytikers Prof. Horst-Eberhard
Richter nur "äußerst schwer" verhindert werden. "Wenn ein Schüler
keinen Radau macht, wenn er sich eher anpasst, dann ist vielleicht
für Pädagogen kein Anhalt gegeben, ihn dem Schulpsychologen
vorzustellen", sagte Richter am Samstag. Die "Störer und
Schlägertypen" dagegen fielen sofort auf: "Die laufen aber nachher
auch nicht Amok, weil sie darin geübt sind, ihre aufsteigenden
Emotionen wieder abzubauen." In dem 19 Jahre alten Amokschützen aus Erfurt habe sich vermutlich
über Wochen und Monate eine "Riesen-Aggression" aufgestaut, meinte
der Therapeut. "Es muss sich eine ungeheuere Rachewut und Fantasie
des mörderischen Verbrechens angesammelt haben, in Verbindung mit der
Vorstellung, dass alle Welt über ihn sprechen würde." Häufig seien
die Täter eher gehemmt und extrem verletzbar, hätten aber
gleichzeitig heimliche Größenfantasien und ein "hoch gesteigertes"
Geltungsbedürfnis. Auch die Fernsehbilder von jungen Attentätern in
Palästina, die nach ihrem "Märtyrertod" viel Ruhm ernteten, könnten
den 19-Jährigen beeinflusst haben.
Tat sorgfältig geplant
Die Ermordung der 17 Menschen habe der Mann sicherlich sehr
sorgfältig geplant, sagte Richter. "Das war keine Affekttat, keine
spontane Aufwallung nach einer Kränkung." Sein Rausschmiss aus der
Schule habe schon lange zurückgelegen, und auch die Wahl des Datums -
der Termin der Abiturprüfung - zeuge von einer Planung mit Kalkül. Im
Unterschied dazu gebe es einen weiteren "Amokläufer-Typ", der unter
Wahnideen leide und "Eingebungen von außen" habe, dass er mit seiner
Tat die Welt erlösen müsse. Einige dieser so genannten psychotischen
Amokläufer könnten später wieder unauffällig leben.
Dass sich der 19-Jährige nach seinem Amoklauf selbst umgebracht
hat, deutet nach Ansicht des Psychoanalytikers nicht auf
Schuldgefühle hin. "Ich glaube, sie gönnen es den anderen nicht, sie
noch zu fangen und zu demütigen. Es geht darum zu sagen, "ihr
erwischt mich nicht lebend". (APA/dpa)