Die Festnahme von acht Polizisten in Neapel hat zu einer ernsten Krise zwischen Gerichtsbarkeit und Exekutive geführt und das belastete Verhältnis zwischen Regierung und Justiz weiter verschlechtert. Den Beamten werden massive Übergriffe bei einer Antiglobalisierungskundgebung im März 2001 vorgeworfen. Sie sollen Demonstranten in einer Kaserne schwer misshandelt und Verletzte aus Krankenhäusern verschleppt und verprügelt haben.Nach der Festnahme der Beamten, die unter Hausarrest gestellt wurden, kam es in Neapel zu einer spontanen Kundgebung mehrerer Hundert Polizisten, die sich mit Handschellen aneinander ketteten. Die Gewerkschaften haben für die kommenden Tage Kundgebungen und ein Sit-in vor dem Obersten Richterrat in Rom angekündigt. Unter den Festgenommenen befinden sich auch der Leiter des Drogendezernats von Neapel, Carlo Solimene, und Kripo-Chef Fabio Ciccimarra. Bespuckt, geschlagen "Nach 20 Jahren Dienst behandelt man uns wie Verbrecher", klagt Solimene. "Da sollen wir noch Vertrauen in die Justiz haben?" Dagegen ist Untersuchungsrichterin Isabella Iaselli von der "Gewaltbereitschaft und Brutalität" der Angeklagten überzeugt. Sie hätten Festgenommene blutig geschlagen, bespuckt und bedroht und Polizeiberichte massiv gefälscht. Die Regierung hat umgehend für die Angeklagten Partei ergriffen und die Staatsanwaltschaft von Neapel offen kritisiert. Innenminister Claudio Scajola bezweifelte die Notwendigkeit der Haftbefehle, eine Anzeige hätte genügt. Der Vizepremier Gianfranco Fini sprach der Polizei seine "bedingungslose Solidarität" aus. In einem Gespräch mit dem neapolitanischen Oberstaatsanwalt Agostino Cordova forderte er Aufklärung über die Hintergründe der Aktion. Dagegen verwies das Linksbündnis auf die lange Berufserfahrung des ermittelnden Staatsanwaltes Paolo Mancuso, der durchaus "zwischen einem Fußtritt und systematischer Gewaltanwendung unterscheiden könne". (DER STANDARD, Print, 29.4.2002)