Kultur
Das bestgehütete Geheimnis wird gelüftet
Mit der Bekanntgabe der mehr als 100 teilnehmenden Künstler kann auch das Konzept von Enzewor am Dienstag erstmals begutachtet werden
Kassel - Ihr bestgehütetes Geheimnis gibt die documenta
in Kassel am Dienstag preis: Wenn die Namen der gut 100
Teilnehmer an der bevorstehenden Weltkunstschau bekannt gemacht
werden, hat das monatelange Rätselraten um die auserwählten Künstler
ein Ende. Zugleich kann die Kunstwelt das Konzept von documenta-Chef
Okwui Enwezor erstmals begutachten.Gelingt es Enwezor die Ausstellung von der westlichen Ausrichtung zu befreien?
Die Namensliste wird zeigen, inwieweit der erste nicht-europäische
documenta-Chef seinem Anspruch gerecht wird, die Ausstellung von
ihrer überwiegend westlichen Ausrichtung zu befreien. Verflüchtigen
wird sich vielleicht auch der Vorwurf, der aus Nigeria stammende
Amerikaner Enwezor habe eine zu theorielastige Schau vorbereitet. Was
genau auf der documenta zu sehen sein wird, ist zwar auch sechs
Wochen vor der Eröffnung am 8. Juni nur den Organisatoren selbst
bekannt. Die Veröffentlichung der Teilnehmerliste aber wird zumindest
schon zeigen, welche Genres im Mittelpunkt stehen und von welchen
Kontinenten bevorzugt Künstler eingeladen sind.
Die Plattformen
Enwezor und sein Kuratorenteam hatten im Vorfeld die Erörterung
der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
künstlerischer Produktion zu einem wesentlichen Bestandteil der
documenta erklärt. Auf so genannten Plattformen in Berlin, Wien, Neu
Delhi, St. Lucia und Lagos war unter anderem über Demokratie,
Globalisierung und kulturelle Unterdrückung diskutiert worden.
Kritiker hatten deswegen befürchtet, dass die Kunst selbst auf der
documenta zu kurz kommen könnte. Enwezor hielt dem entgegen, die
Plattformen sollten die Kunst nicht ersetzen, Kunst aber beschränke
sich nicht auf Kunstbetrachtung in Museen.
Die Jagd nach der Liste
Spekulationen über die teilnehmenden Künstler sind ein festes
Ritual vor jeder documenta, und auch diesmal war kräftig gemutmaßt
worden. Die in Regensburg erscheinende "Kunstzeitung" hatte sogar
eine Liste mit 70 Namen veröffentlicht, von denen, wie ein
documenta-Sprecher meinte, nur eine kleine Zahl zutreffend sei.
Während bei der letzten documenta die Künstler erst bei der Eröffnung
genannt und bei der Jagd auf die Liste zuvor hohe Geldsummen geboten
wurden, machte diese documenta einige Künstler schon vorab bekannt.
Dabei sind der Belgier Luc Tuymans, die Kubanerin Tania Bruguera, der
Schweizer Thomas Hirschhorn sowie der Ungar Yona Friedman.
Keine Ethno-Schau
Eine Ethno-Schau mit Schwerpunkt Afrika solle die documenta nicht
werden, hatte Enwezor schon weit im Vorfeld klar gestellt.
Nicht-westliche Künstler werden dem Anschein nach zumindest aber eine
größere Rolle spielen. Darauf deuten weitere heiß gehandelte Namen
hin, wie etwa die aus Uganda stammende Zarina Bhimji, Alfredo Jaar
aus Chile, der schwarze Filmer Isaac Julien und die Iranerin Shirin
Neshat.
450 unaufgefordert geschickte Mappen
Bei der Auswahl der Künstler konnten sich die documenta-Macher wie
schon so oft nicht vor einer Flut unaufgefordert eingereichter
Bewerbungen retten. Rund 450 Künstler schickten von sich aus Mappen,
Bilder und Fotos nach Kassel in der Hoffnung, möglicherweise als
documenta-Künstler an Bekanntheit zu gewinnen. Zum Zuge kam aber
keiner. "Von der Qualität her ist das nicht das, was wir suchen",
erklärte eine documenta-Sprecherin.(APA/dpa)