Österreich
Kein Grundrecht auf Sterbehilfe - Antrag kranker Britin abgelehnt
Diane Pretty leidet an einer tödlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems
Straßburg - In einem Grundsatzurteil hat der Europäische
Menschengerichtshof ein Grundrecht auf aktive Sterbehilfe abgelehnt.
Er wies am Montag den Antrag der todkranken Britin Diane Pretty ab,
die mit Hilfe ihres Mannes sterben wollte. Das in der Europäischen
Menschenrechtskonvention verankerte Recht auf Leben schließe nicht
dessen Umkehrung ein, also ein Recht auf Sterben, stellten die sieben
Richter der Kleinen Kammer einstimmig fest. Der Straßburger
Gerichtshof nahm mit seinem Urteil erstmals zum Thema Sterbehilfe
Stellung. Experten erwarten davon ein Signal für die Debatte, die
derzeit in mehreren Ländern geführt wird. Die an den Rollstuhl gefesselte 43 Jahre alte Diane Pretty leidet
an amyotrophischer Lateralsklerose (ALS), einer Erkrankung des
zentralen Nervensystems. Sie ist vom Kopf an abwärts gelähmt und kann
sich somit nicht allein das Leben nehmen. Ärzten zufolge hat sie
nicht mehr lange zu leben und muss mit einem qualvollen Tod durch
Ersticken und Lungenentzündung rechnen. Sie will mit Hilfe ihres
Mannes in Würde sterben. Im vergangenen Sommer beantragte sie bei der
britischen Justiz Straffreiheit für ihren Mann Brian, falls dieser
ihr Sterbehilfe leistet. Dies wurde abgelehnt. Somit droht dem
44-Jährigen eine Haftstrafe von bis zu 14 Jahren, wenn er den Wunsch
seiner Frau erfüllt.
Verstoß gegen Folterverbot
In der Beschwerde vor dem Straßburger Gericht machten die Anwälte
der Britin gleich mehrere Verstöße gegen die Europäische
Menschenrechtskonvention geltend. Der Tod, der sie erwarte, käme
einer "menschenunwürdigenden Behandlung" gleich. Damit werde gegen
das Folterverbot verstoßen. Auch werde Pretty durch das
Sterbehilfe-Verbot diskriminiert, weil sie im Gegensatz zu gesunden
Menschen nicht über ihr Leben entscheiden könne.
Der Gerichtshof wies die Beschwerde in allen Punkten zurück. Aus
dem Grundrecht auf Leben könne kein Anspruch auf "Selbstbestimmung in
dem Sinne abgeleitet werden, dass jedes Individuum das Recht hat,
eher den Tod als das Leben zu wählen", heißt es in dem Urteil. Es
gebe "kein Grundrecht auf Sterben - sei es durch die Hand eines
Dritten oder mit Hilfe einer öffentlichen Autorität". Somit könne
niemand vom Staat fordern, dass er seinen Tod erlaubt oder
erleichtert. Es sei auch gerechtfertigt, wenn das Gesetz keine
Unterscheidung mache zwischen Personen, die sich selbst das Leben
nehmen können und anderen. Die "Grenze zwischen diesen Kategorien"
sei nämlich oft sehr schmal.
Unterschiedliche Reaktionen
Der Gerichtshof wies zudem darauf hin, dass die britische Justiz
Brian Pretty zwar für den Fall, dass er gegen das Sterbehilfe-Verbot
verstößt, keine Straffreiheit zusichert. Dies hindere die Justiz aber
nicht daran, in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob eine
Strafverfolgung "im öffentlichen Interesse" sei.
Eine Anwältin der Kranken äußerte sich "enttäuscht" über das
Urteil. Positiv reagierte die "Deutsche Hospiz Stiftung". Damit sei
entschieden worden, dass "Diane Pretty nicht staatlich legitimiert
getötet werden darf". Die Stiftung verwies zugleich auf den
weltbekannten Astrophysiker und Buchautoren Stephen Hawking, der
bereits seit 40 Jahren an ASL leidet und heute 60 Jahre alt ist. Sein
Beispiel zeige, dass man die Hoffnung nie aufgeben dürfe. (APA)