Sudan
Zwischen Erdöl und Bürgerkrieg
"Ärzte ohne Grenzen" präsentieren Bericht über den Südsudan: Seit 20 Jahren tobt der Krieg, die OMV bohrt nach Öl
Wien - "Wenn du den Soldaten
gefällst, nehmen sie dich mit,
und dein Kind bleibt zurück.
Dein Kind wird dann sterben,
und dich werden sie als ihre
Frau gebrauchen." Mit diesen
Worten zitiert die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen"
eine Frau namens Nyadang,
die in den Wirren des seit fast
20 Jahren andauernden sudanesischen Bürgerkriegs zu
überleben versucht.
Hunger, Vergewaltigungen,
Epidemien, Plünderungen,
Massenvertreibungen und
Zwangsrekrutierung von Kindern prägen das Geschehen im
Sudan, erst Mitte April hat die
Regierung eine neue Militäroffensive begonnen. Leidtragende des Bürgerkrieges sind,
wie immer, die Zivilisten. Die
UNO warnte am Wochenende,
dass 1,7 Millionen Menschen
nichts mehr zu essen hätten
und dringend Hilfslieferungen benötigen.
"Ärzte ohne Grenzen" ist
seit 1988 im Südsudan, genauer in der Region Western
Upper Nile, tätig. Diese Region
ist nicht nur eines der Zentren
des Bürgerkriegs zwischen der Regierung in
Khartum und diversen
Rebellengruppen, in
dieser Region lagern
auch enorme Erdölvorkommen, die von verschiedenen Konzernen
ausgebeutet werden.
Auch die österreichische OMV beteiligt sich
mit schwedischen und
sudanesischen Partnern
an der Exploration in
den "Blocks" 5a und 5b (
siehe Grafik
).
In ihrem Sudan-Bericht, der am Montag in
Nairobi veröffentlicht
wurde, beklagt die strikt
unparteiische Hilfsorganisation, dass sich
Krankheiten wie "Kala
Azar" (visceral
leishmaniasis) zu Epidemien entwickelten,
die bisher Zehntausenden das Leben gekostet hätten.
"Kala Azar" wird durch Sandfliegen übertragen, schwächt
das Immunsystem und wäre
an sich einfach und billig zu
kurieren. Doch der Krieg
macht jede nachhaltige Behandlung der Epidemie unmöglich, schreibt "Ärzte ohne
Grenzen", die als einzige
Hilfsorganisation auch heute
noch im Sudan tätig ist.
Die OMV, die zu 35 Prozent
im Eigentum der ÖIAG steht,
hat hingegen ihre Bohrungen
in diesem Gebiet wegen des
Bürgerkrieges im Jänner vorläufig eingestellt. Die außenpolitische Sprecherin der
Grünen, Ulrike Lunacek, fordert nun, dass vor einer Wiederaufnahme der OMV-Bohrungen eine Untersuchungskommission aus Menschenrechtsexperten und nationalen sowie internationalen
NGOs ihr Urteil abgeben solle.
Bevor die OMV ihre Tätigkeiten wieder aufnehme, müsse
zumindest ein Waffenstillstand erreicht werden, so
Lunacek: Es müsse sichergestellt werden, dass die Öleinkünfte auch dem Süden Sudans zugute kämen. Andernfalls käme die OMV in die Gefahr, mit ihren Konzessionsgeldern den Bürgerkrieg indirekt mitzufinanzieren.
Für die OMV erklärte Michaela Reeh, dass man den Bericht zwar noch nicht kenne,
"er werde aber zum Informationsstand beitragen". Zurzeit arbeite die
OMV an einer eigenen
Untersuchung, die "neben der Sachlage auch
eigene humanitäre
Projekte in der Region
evaluiere". Ob denn unter diesen Umständen
im Sudan überhaupt
Geld zu verdienen sei?
"Mein Gott", sagt Frau
Reeh, das könne man
jetzt noch nicht so genau sagen.
"Ärzte ohne Grenzen" will jedenfalls im
Sudan weiterarbeiten
und appellierte an die
Kriegsparteien, humanitäre Hilfe zuzulassen. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 30.4.2002)