Es werde in Brüssel einen "massiven Kampf" um die EU-Beiträge geben. Er sei nicht bereit, dass "wir permanent mehr Geld nach Brüssel schicken". In dieser Tonart beliebt Finanzminister Karl-Heinz Grasser im Inland immer wieder publikumswirksam als Sparmeister der Nation aufzutreten.

Schlagzeilen wie jene in der "Krone", wonach der Finanzminister "um jeden Euro kämpft", dass es "keine Osterweiterung um jeden Preis geben" werde und es sein "Ziel" sei, den österreichischen EU-Beitrag von 1,27 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf 1,1 Prozent zu senken, kann er damit leicht einfangen.

Sehr seriös ist das aber nicht. Grassers abenteuerliches Jonglieren mit Zahlen aus einem komplizierten EU-Budgetwerk kann (bei einem Mann mit seinem Einblick) nur als bewusste Irreführung gedeutet werden.

Die Fakten sprechen für sich: Österreich hat noch nie 1,27 Prozent des BIP nach Brüssel überwiesen. Dieser theoretische Wert, der beim Berliner EU-Gipfel 1999 beschlossen wurde, gilt bis 2006. Er markiert ein Limit für alle EU-Staaten, das noch nie erreicht wurde. 1998 hat Wien knapp 1,20 Prozent des BIP nach Brüssel überwiesen. Seit damals sinkt der Beitrag - wegen der EU-Sparlinie, siehe Berlin-Beschlüsse - ständig. Im Jahr 2001 machte Österreichs EU-Beitrag 1,07 Prozent des BIP aus.

Wenn er im Ausland, sprich in Brüssel, auftritt, agiert Grasser etwas anders: Dort hat er im EU-Finanzministerrat, der die Beschlüsse grundsätzlich einstimmig fasst, noch jeder Budgetverabschiedung zugestimmt. Ohne Kampf, ohne Veto. Heinrich Neisser hat zur "problematischen Vereinfachung" im "profil"eine adäquate Einschätzung vorgenommen: "Der Stil in der politischen Auseinandersetzung ist nicht nur rauer, sondern auch primitiver geworden." Dem ist nicht viel hinzuzufügen. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 30.4.2002)