Kultur
Marboe vermisst "Entschlossenheit" bei Wiener Kulturpolitik
Ex-Stadtrat sieht "Vertrauenskrise" und "Stillstand" - SP dazu: "Wunschdenken"
Wien - Der frühere Wiener Kulturstadtrat und jetzige
nicht amtsführende Stadtrat Peter Marboe (VP) sprach bei einem
Pressegespräch am Donnerstag zu Themen der Wiener
Kulturpolitik. Er diagnostizierte eine "zunehmende
Re-Parteipolitisierung", eine "ganz offenkundige
Vertrauenskrise zwischen Künstlern und Kulturpolitik" und "einen Stillstand in der Kulturpolitik". Ihm fehlten "Gestaltungswille" und "die Entschlossenheit, in der
obersten Liga der Städte weiter mitzuspielen."
Bei seiner Jahresbilanz über die
Arbeit seines Nachfolgers Andreas Mailath-Pokorny (S) erwähnte Marboe
dessen Namen allerdings kein einziges Mal. Es gehe ihm nicht um
Personen, meinte der VP-Politiker. Als "Wunschdenken Marboes" bezeichnet
SPÖ-Kultursprecher Ernst Woller in einer Raktionen die Vorwürfe: "Kulturstadtrat Mailath-Pokorny hat
innerhalb kürzester Zeit Probleme gelöst, über die Peter Marboe als
Kulturstadtrat in schönen Worten gesprochen, die er aber letztendlich
unerledigt hinterlassen hat". Als Beispiele führt Woller die Sicherung des Weiterbestands des
Theaters in den Außenbezirken, die Finanzierung des Kindermuseums,
den Bau des Kindertheaters sowie wichtige Personalentscheidungen bei
Theatern wie der Josefstadt und dem Rabenhof an, wobei
"selbstverständlich" international ausgeschrieben werde.
"Theaterärsche" kritisiert
Marboe führte aus, in Aufsichtsorgane von
Privattheatern würden Vertreter des Kulturamts "hineinreklamiert",
die Gesprächsbasis zwischen Politikern und Künstlern hätte sich -
auch durch die Art der Bestellung der Josefstadt-Leitung - eindeutig
verschlechtert, umgekehrt vermisse er klärende Worte über Stilfragen
im Umgang mit Kollegen, etwa anlässlich der durch das
Rabenhof-Theater verliehenen "Theaterärsche des Monats".
Budgetfragen
Gut findet Marboe etwa die Weiterführung der Drei-Jahres-Verträge,
das Bekenntnis zur Unvereinbarkeitsklausel oder die Weiterführung der
Kinoförderung. Beim Kindertheater im Museumsquartier kritisiert er
die Verzögerung um ein Jahr, beim (in der Sache begrüßten) Ankauf der
Sammlung Strauß-Meyszner und der Beteiligung an der
Albertina-Renovierung die Belastung des regulären Kulturbudgets.
Laut
Marboe kommen 20 Mill. Schilling des Sammlungs-Ankaufs und 32 Mill.
Schilling bei der Albertina aus dem regulären Kulturbudget, obwohl
dafür eigentlich Sondermittel bereitgestellt gehörten. Insgesamt
ortet Marboe im "nur formal höchsten", doch prozentuell von 1,71
Prozent auf 1,68 Prozent Anteil am Gesamt-Budget der Stadt gesunkenen
Kulturbudget rund 150 Mill. Schilling, die "eigentlich aus
Sonderfinanzierungen kommen" müssten: "Das sind 150 Millionen weniger
für das operative Kulturbudget!"
Woller entgegnete dazu, das Kulturbudget sei "auch operativ das höchste, das Wien je hatte -
gegenüber dem Vorjahr konnte es um 3,7 Prozent auf insgesamt 173
Millionen Euro gesteigert werden".
Theater-Finanzen
Die Budgets der Wiener Privattheater müssten in der nun folgenden
dritten Etappe der Drei-Jahres-Verträge evaluiert werden, bei
Theater-Entschuldungen würden auch parteipolitische Gesichtspunkte
eine Rolle spielen (als Beispiel einer verweigerten Entschuldung
nannte Marboe das Auersperg Theater) und schließlich wären bei der
Ausschreibung der neuen Leitung der Museen der Stadt Wien arge
Versäumnisse zu beklagen: Man müsse versuchen, "europaweit die besten
Leute einzuladen, sich zu bewerben", doch in der verbleibenden Zeit
könne man kaum mehr "den Eindruck erwecken, dass man es ernst meint".
Vorausblicke
Zum Theater an der Wien verweist Marboe auf die
Regierungserklärung von Bürgermeister Michael Häupl (S): "Da steht
deutlich, dass das Theater an der Wien ganzjährig für klassische
Musik offen stehen soll. Da muss man sehr gute Argumente finden,
warum man davon abrücken will. Eigentlich kann es nur budgetäre
Gründe geben." Mit Spannung wartet auch Marboe auf den ursprünglich
für Ende April angekündigten "Infora"-Bericht dazu.
Perspektivisch hofft der VP-Stadtrat, dass es zu einer Definition
jener Rolle kommen werde, die Wien im Osterweiterungsprozess
übernehmen könne, fordert auch für Wien ein Landesgesetz für Kunst am
Bau und im öffentlichen Raum, regt die Schaffung einer Robert
Stolz-Gedenkstätte an und hofft, dass Wien im Mozartjahr 2006 keine
Ausstellung zeigen, sondern - etwa durch die Sanierung des
Figaro-Hauses - etwas Bleibendes schaffen werde. Hier wären rasche
Entscheidungen notwendig: "Das Mozartjahr ist schneller da, als man
glaubt!"
(APA)